Das Ende Der Ausreden
lernen in wesentlichen Fragen nichts dazu
Unsere Überzeugungen haben sich so bewährt, dass es unsinnig scheint, sie zu überholen. Schließlich haben wir tagtäglich Gelegenheit, zu erleben, dass wir recht haben und recht behalten. Regelmäßig stellt sich das mal triumphierende, mal beiläufige Gefühl ein, es doch mal wieder gewusst zu haben. Siehste!
Und auf diese Weise tendieren unsere Ansichten dazu, sich immer mehr zu verfestigen und irgendwann: verschroben zu werden.
Sie meinen, das kann Ihnen nicht passieren? Dream on ! Das droht uns allen, wenn wir nicht in den unbequemen Dialog mit anderen Auffassungen gehen, keine Bücher lesen, die uns aufregen, nicht mehr ausprobieren, wie etwas auch anders erfolgreich sein könnte, nicht mehr mit Leuten diskutieren, die andere politische Auffassungen und einen anderen Geschmack haben. Nichts ist so uninteressant, heißt es, wie die Nachrichten von gestern. Doch: Unsere Ansichten und Erfolgsrezepte von gestern sind noch viel langweiliger. Bekommen wir den Moment mit, wenn es kippt? Vermutlich nicht.
Natürlich lernen wir dazu – diese Software und jene fachliche Neuerung, das integrieren wir mit mehr oder weniger Mühe. Wir halten uns auf dem Laufenden. Aber: Können wir unsere eigenen Überzeugungen infrage stellen? Dürfen wir sie immer einmal prüfen und das Lob des Zweifels pflegen? Schaffen wir es, zu den vermeintlichen Tatsachen, die wir als Fundament unserer Weltanschauung betrachten, eine humorvolle Distanz aufzubauen? »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen« – könnte man das auch anders sehen? Könnten Sie das auch anders sehen? Oder: »Man darf sich keine Blöße geben.« Darf man wirklich nicht? Müssen Ihre Ideen in Stein gemeißelt bleiben?
Wir sind bedenklich intolerant
Wir tendieren dazu, Leute, die unsere Auffassungen nicht teilen, für blöd/provinziell/borniert/krass/weltfremd/karrierefixiert /neurotisch/naiv zu halten. Das kann natürlich im Einzelfall so sein. Aber immer? Wir stets im Recht und die anderen irgendwie im Problem? Sehr unwahrscheinlich.
Aber: Wir sind uns sicher, dass Fahrer von Kleintransportern Rowdys sind, Fliegenträger nicht erwachsen werden wollen und man mit Christen/Moslems/Atheisten einfach nicht ernsthaft diskutieren kann. Wir buchen das unter Menschenkenntnis ab. Und suchen bestimmt nicht gezielt nach Belegen, die unsere Auffassung widerlegen könnten. Wie oft wir es als Vorzug schildern, dass wir bei unserer Meinung bleiben und uns nicht von ihr abbringen lassen!
Wenn wir nicht gerade verliebt sind und andere Regeln gelten (jedenfalls in der Anfangszeit), dann ist der Gegensatz nicht anziehend, die Abweichung keine spannende Alternative, sondern eine Provokation. Wie schade.
Also: Wir sind heute schon nicht besonders flexibel, wir lernen als Persönlichkeit wenig dazu – auch nicht aus den sich wiederholenden Konflikten -, und unsere de facto vorhandene Intoleranz entspricht eigentlich nicht dem eigenen Anspruch.
Und wie geht das jetzt weiter? Wächst sich das aus? Wird das im Alter besser? Eher nicht.
Es steht vielmehr zu befürchten, dass es schlimmer wird. Langsam, aber sicher.
Wie wir mit unseren Erfolgsrezepten in der Sackgasse landen
Unser Ego hat seinen Auftrag, uns ein Leben lang zu dirigieren, an- und ernst genommen und denkt nicht daran, sich in den Vorruhestand zu verabschieden. Es warnt vor Veränderung und schickt Gespenster auf den Plan (»Huhuu, wenn das mal gut geht??!«). Es wedelt mit seinen guten Zeugnissen und Referenzen, kann Erfolg an Erfolg reihen.
Und wohin führt das dann? Was könnte man sich unter der Apokalypse vorstellen, die das Enneagramm als drohende Zukunft beschreibt? Kurz gesagt führt das vermeintliche Erfolgsrezept am Ende in jenen Schmerz zurück, vor dem es uns retten wollte.
Einige Beispiele:
Ein Kind wächst mit dem Gefühl auf, nicht dazuzugehören, mit dem Kummer, sich in seiner Welt fremd zu fühlen. Es entwickelt nach und nach als Lösung des Dilemmas eine Inszenierung des Anders- und Besondersseins. Der Jugendliche und später Erwachsene grenzt sich ab und kultiviert seine Individualität. Vielleicht entwickelt er eine besondere Liebe zur Sprache, zur Finesse der Formulierung, sorgsam wägt und wählt er das Wort. Er macht vielleicht sogar einen Beruf daraus und wird Autor. So kann er dem frühen Schmerz etwas Gutes, eine Leitidee abgewinnen. Allerdings – auch wenn man ihm eine ganz alltägliche Frage stellt, bekommt man eine originelle Antwort. Das kann
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