Das Ende Der Ausreden
Verspannung im Nacken, ein Kribbeln in der Ferse, eine traurige Empfindung, Langeweile, Herzklopfen, Ruhe, Ungeduld, jetzt muss ich niesen, undefinierter Ärger, Vorfreude.
Einfach nur wahrnehmen. Mit einem freundlichen Blick auf all das, was man wahrnimmt. Ohne sich von den Gefühlen vereinnahmen oder zum Handeln verleiten zu lassen.
Was bewirkt das nun aber? Zunächst einmal stellen Sie Abstand her: Sie lassen sich nicht von den Gedanken beherrschen, sondern hören ihnen zu. Sie erleben, wie Gedanken Gefühle nach sich ziehen, Sie erkennen, wie Sie ein Gefühl regelrecht herbeidenken. Dadurch, dass Sie sich nicht gegen das Gefühl wehren – und es genau dadurch festhalten -, kann es nach einer Weile wieder gehen.
Wenn Sie mit großer Anstrengung versuchen, ganz gelassen zu sein, während Ihr Herz blutet oder Sie Ihren Kollegen am liebsten erwürgen würden – das funktioniert sowieso nicht. Wenn Sie aber mit freundlichem, mitfühlendem Blick wahrnehmen, dass Ihr Herz blutet oder Ihr Zorn brodelt, dann hilft das. Und die Gefühle lassen nach einiger Zeit nach, ebben ab oder verwandeln sich. Oft taucht unter dem Zorn etwas Neues auf, ein Wunsch, ein Wiedererkennen oder eine Traurigkeit. Hören Sie hin und spüren Sie. Aufmerksam und immer im Bewusstsein, dass Sie der wohlwollende Beobachter sind und damit eben nicht identisch mit dem, was Sie beobachten.
Wenn wir unser Muster erkennen können, dann sind wir mehr als unser Muster
Wenn Sie aufmerksam registrieren, dass und wie Sie sich selbst verrückt machen, andere verurteilen, sich selbst beschimpfen, überheblich sind oder unterwürfig, wenn Sie bewusst beobachten, wie Ihre Empfindungen kommen, sich aufbauen und abbauen – dann merken Sie immer deutlicher, dass es hier etwas zu unterscheiden gibt. Ist das die Wirklichkeit, die Ihnen Sorgen macht? Nein, oft natürlich nicht! Sie machen sich die Sorgen. Sie sind aktiv, Sie konstruieren die Besorgnis selbst. Das müssen Sie jetzt wiederum nicht stoppen und als Versagen bewerten. Sie nehmen es wahr, ohne sich zu kritisieren, und genau dadurch können Sie es immer besser loslassen. Das passiert.
Und später können Sie sich fragen: Passt dieses besorgte (zweifelnde, wütende, melancholische, genervte) Ich eigentlich zu mir? Oder ist das nicht eher ein Familienerbe, ein Echo aus vergangenen Tagen? Ein Auftrag? Gibt es heute, hier, jetzt einen Grund für diese Besorgtheit? Wer spricht hier eigentlich? Kommt mir das irgendwie bekannt vor? Ist das mein eigener Text, oder hat mir jemand etwas untergemogelt? Habe ich mir etwas untermogeln lassen? Irgendwann merken Sie, dass Sie der Zuschauer eines inneren Stücks sind, das Sie bislang für die Realität gehalten haben. Jetzt gibt es Freiheit zu pflücken.
Durch die Einführung der inneren Beobachtung heben Sie die Identifikation ganz praktisch auf. Und so verliert das Muster nach und nach an Dominanz.
Es ist für viele sehr schwer, das zu akzeptieren: dass sie das nicht machen können, sondern dass das scheinbar Passive, das Zusehende, das »Nichts« etwas Gutes in ihnen bewirken soll. Das muss doch auch anders gehen!
Keine Frage, es gibt viele Wege. Mir persönlich ist die Form der wohlwollenden und aufmerksamen Selbstbetrachtung besonders plausibel. Sie ist der passende Gegenzauber zu den inneren Dialogen, mit denen wir uns immer wieder neu versichern, dass alles so sein muss, wie es ist.
Seit etwa zehn Jahren beschäftigt sich die Gehirnforschung mit der Meditation – wie sie funktioniert und ob und welche Wirkung sie auf das Gehirn hat. Es sieht so aus, als ob die Wissenschaft allmählich belegen kann, was Meditationslehrer und Meditierende auf der ganzen Welt seit Jahrhunderten wissen: dass Meditation Menschen guttut, sie konzentrierter und wacher macht und in ihrer persönlichen Entwicklung wirksam unterstützt. Es gibt erste Hinweise, dass regelmäßige Meditation sogar strukturelle Veränderungen im Gehirn bewirkt, dass die Konzentration der grauen Substanz in bestimmten Arealen signifikant zunimmt, und eine dickere Schicht der grauen Zellen verbessert die Leistungsfähigkeit der entsprechenden Gehirnregion.
Meditation scheint nicht nur die Konzentration, die Körperwahrnehmung und das Langzeitgedächtnis nachweislich zu stärken, sondern auch den Umgang mit Gefühlen positiv zu beeinflussen. Menschen, die regelmäßig meditieren, sind zu größerer Einfühlung fähig, in sich und andere. Sie lernen, ihre eigenen Empfindungen zutreffender wahrzunehmen
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