Das Ende Der Ausreden
gemacht, dass wir mehr sind als unser Muster. Das ist Hoffnung und ein Fenster, das ganz weit aufgeht und frische Luft und Vogelgezwitscher hereinlässt. Aber wenn wir erst einmal sehen, dass wir in einem inneren Gefängnis sitzen, können wir es uns nicht mehr als Penthouse verkaufen. Dann sehen wir die Gitter der Selbstbeschränkung. Dann wissen wir zwar, dass die Tür nur deshalb verschlossen ist, weil wir uns den Wächter einbilden, der sie bewacht – aber deshalb sind wir noch nicht in der neuen Freiheit unterwegs. Nein, wir lehnen ängstlich an der Pforte, schnuppern Freiheit und fürchten sie.
»Das wird ja nie was!« Moment: Wer redet hier gerade?
Und wie können Sie sich jetzt helfen? Eines ist ganz sicher: nicht mit Zorn auf sich selbst. Auch nicht mit Zweifel und Ungeduld. Der nächste Schritt muss sein, das innere Geschehen zu sehen und immer wieder neu zu sehen, ohne sich darüber zu ärgern. Ohne sich zu verurteilen.
Hören Sie genau auf den Klang Ihrer inneren Einwände, wenn Ihnen alles zu langsam geht.
»Das wird ja nie was! Das schaffst du sowieso nicht! Andere vielleicht, aber du? Meine Güte, du trittst ja immer noch auf der Stelle. Das muss doch schneller gehen! Was soll das eigentlich bringen? Du nimmst dich viel zu wichtig.« So klingen die Stimmen. Halten Sie einmal inne: Wer redet da gerade mit Ihnen? Sind das Sie selbst oder sind das Variationen früh gehörter Entmutigungen? Gehen Sie da gerade nicht genauso mit sich selbst um, wie früher einmal mit Ihnen umgegangen wurde? Machen Sie sich immer wieder klar, dass man mit Ärger nichts beschleunigen kann, was wachsen muss. Man kann eine Schmetterlingsraupe nicht dadurch schneller durch ihre Stadien der Reifung treiben, indem man den Kokon immer wieder aufreißt und schaut, ob es endlich so weit ist. Das Gras wird nicht schneller wachsen, wenn Sie an den Spitzen zerren.
Selbstbeschimpfung: Eine schlechte Angewohnheit
Eine Seminarteilnehmerin erzählte, wie sie sich einmal in Gegenwart ihrer Schwester ordentlich selbst beschimpft habe. Dass sie irgendetwas nicht gut gemacht habe, dass sie das ja immer so schlecht mache und einfach nichts dazulerne. Und so fort. Die Frau hielt erst inne, als ihre Schwester sie empört unterbrach und meinte: »Sag mal, wie redest denn du von meiner Schwester??!«
Viele sprechen mit sich selbst so, wie sie niemals mit anderen sprechen würden. Diese Unbarmherzigkeit haben sie nur sich selbst gegenüber. Da fallen harte Sätze, und sie bemerken das gar nicht. Während sie anderen gegenüber ihre Worte abwägen, weil sie wissen, wie verletzend sie sein können, reden sie mit sich selbst munter vernichtend drauflos. Und oft wiederholen sie das, was sie einmal sehr getroffen hat: »Wie kann man nur so blöd sein!« oder »Bei dir ist Hopfen und Malz verloren!«
Achten Sie darauf, wie Sie mit sich selbst sprechen, in welchem Klang, mit welchen sich wiederholenden Formulierungen. Insbesondere in Stresssituationen werden Sie vielleicht verwundert feststellen, dass Sie so mit sich reden, wie Sie es sich von jedem anderen verbitten würden.
Ich finde es bezeichnend, wie absurd viele die Idee finden, sich selbst – ohne weitere Auflagen – liebevoll zu betrachten. Da haben wir die Lektion der bedingten Liebe aber wirklich hervorragend gelernt! Eltern können immer nur das geben, was sie geben können, nämlich das, was sie selbst bekommen haben. Es sei denn, sie haben im späteren Leben gelernt, sich selbst das zu schenken, was sie vermisst haben. Dann kann die Wunde sich schließen und ein neuer Anfang gefunden werden. Aber genau das findet eben meist nicht statt, und so geht der Staffelstab der Versagung an die nächste Generation weiter: »Das hat mir auch nicht geschadet!« Was für ein fataler Irrtum!
Der heile Teil in uns wartet geduldig
Wir beabsichtigen, aus diesem Spiel auszubrechen. Und eine gute Beziehung zu uns aufzubauen. Als eine Voraussetzung dafür und gleichzeitig bereits ein Teil der Entwicklung, dass wo Ego ist, wieder Selbst sein darf.
In den USA ist Stephen Gilligan ein prominenter Vertreter einer Psychotherapierichtung, die sich »Self Relation« nennt. Er beschreibt, wie ein Großteil unserer Probleme damit zusammenhängt, dass wir »ineffektiv leiden«, wie er es nennt. Im Versuch, etwas zu verhindern, was nicht zu verhindern ist – nämlich dass uns im Leben Enttäuschung, Schmerz, Traurigkeit, Sorge und Angst (wieder-)begegnen -, haben wir uns von unserer eigenen Lebendigkeit
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