Das Ende der Einsamkeit
ergreifen konnte, verkündete Dominic gegenüber seiner Mutter, dies sei Miss Reynolds und sie habe ihm versprochen, ihn zu einem ihrer Fußballspiele mitzunehmen.
„Sie müssen Dominics Mutter sein.“
Mrs Park begegnete Megans Lächeln mit einem Ausdruck, der ein wenig zu angestrengt um Freundlichkeit und Interesse bemüht war. Megan ahnte, das dies eine Frau war, die ihr Lächeln vermutlich wie Goldstaub verteilte – oder vielleicht hatte sie auch ganz verlernt zu lächeln, weil sie vornehmlich damit beschäftigt war, Leute ins Gefängnis zu bringen, wenn man ihrem Sohn glauben wollte.
„Korrekt, Miss Reynolds, und ich muss gestehen, dass ich sehr enttäuscht war, als die Nanny mir heute sagte, Dominic würde einen Baum spielen. Keine sehr anspruchsvolle Aufgabe, oder?“
Sie sprach mit einem geradezu erstaunlichen Oberschichtakzent, der perfekt zu ihrem aristokratischen Erscheinungsbild passte.
„Sehen Sie, Mrs Park, wir verstehen das Krippenspiel vor allem als Spaß und nicht als Wettbewerb.“ Unbeirrt lächelnd wandte sich Megan an Dominic, der gerade stirnrunzelnd ein Sushi in einer Serviette begutachtete. „Und du warst heute ein wundervoller Baum. Sehr überzeugend.“
„Wann ist das Fußballspiel?“, erkundigte er sich in forderndem Ton.
„Äh … der Termin muss erst noch festgelegt werden.“
„Aber Sie vergessen es nicht, oder?“, hakte er unnachgiebig nach. „Weil meine Mummy ist Anwältin …“
„Ja, ja, ja … ich glaube, die Botschaft habe ich gleich beim ersten Mal verstanden, Dominic.“ Sie sah seine Mutter lächelnd an. „Man hat mir nämlich zu verstehen gegeben, dass ich ins Gefängnis komme, wenn ich ihn nicht bei einem meiner Fußballspiele zuschauen lasse.“
„Dummer Junge. Ich habe ihm schon hundert Mal erklärt, dass ich Wirtschaftsanwältin bin. Und ich fürchte, über dieses Fußballspiel müssen wir noch reden. Wir haben über die Weihnachtstage ein volles Programm, außerdem hat die Nanny drei Tage frei, und ich werde kaum Zeit finden, Dominic irgendwohin zu fahren.“
Megan dachte gerade voller Mitgefühl an die arme Nanny, die so rücksichtslos gewesen war, ausgerechnet über Weihnachten um Urlaub zu bitten, als sie merkte, dass noch jemand zu der kleinen Runde dazugetreten war. Die Anwältin unterbrach sich mitten in ihrer Erklärung und rang sich tatsächlich ein echtes Lächeln ab, während sie an Megan vorbei diesen Jemand anblickte.
„Alessandro, Darling, wie reizend von dir. Ich bin wirklich halbverdurstet.“
Alessandro!
Allein bei dem Namen durchzuckte es Megan heiß. Was natürlich lächerlich war, denn Alessandro war ein sehr gebräuchlicher italienischer Name, sodass sicher viele Männer so hießen.
Bewusst langsam drehte sie sich um, und was sie sah, raubte ihr nun wirklich den Atem. Denn er war es. Alessandro Caretti. Ihr Alessandro. Wie ein Gespenst aus der Vergangenheit stand er vor ihr. Sieben Jahre war es her, doch er hatte sich überhaupt nicht verändert. Immer noch groß, schlank, athletisch und umwerfend attraktiv, ein wenig älter natürlich, das Gesicht noch etwas markanter und unnahbarer, war es trotzdem der Mann, der sie so lange in ihren Träumen heimgesucht hatte und sich immer noch in ihre Gedanken schlich, wenn sie es am wenigsten erwartete.
Vor sieben Jahren hatte er Jeans, Hemden und Sweatshirts getragen. Jetzt trug er einen maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug, kombiniert mit … einem weißen Hemd. Manches änderte sich eben doch nicht.
Es kostete Megan alle Selbstbeherrschung, höflich und scheinbar gelassen die Hand auszustrecken, während sie sich fragte, ob Alessandro sie überhaupt wiedererkennen würde. Zwar trug sie ihr Haar jetzt kürzer, aber die blonden Locken waren unbezähmbar wie eh und je.
Ihr jagte ein Schauer über den Rücken, als er ihre dargebotene Hand nahm und flüchtig drückte. Was tat er hier? War er Dominics Vater? Aber nein, im nächsten Moment hörte Megan, wie die Anwältin neben ihr in ihrem noblen Akzent von ihrem „Verlobten“ sprach. Er war also verlobt! Seinem eleganten Aussehen und seiner piekfeinen Begleiterin nach zu urteilen, hatte er sich genau die Zukunft verwirklicht, die er damals bei ihrer Trennung vorhergesehen hatte.
Allerdings schien er Megan nicht wiederzuerkennen, sondern kehrte ihr schon fast den Rücken zu, als er seiner Verlobten das Glas Wein reichte, das er ihr geholt hatte. Megan wollte die Flucht antreten, wurde jedoch von Dominic daran gehindert, der in
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