Das Ende der Geduld
Polizeidirektionen bringen sich mit großem Engagement ein und haben in Anbetracht ihrer sonstigen Belastungen erstaunlich schnell eine schriftliche Handlungsanweisung für die Beamten entwickelt und die vereinfachten Verfahren in ihr Schulungskonzept eingebaut. Außerdem verfügen einige Polizeiabschnitte inzwischen über Jugendsachbearbeiter, die sich überwiegend mit den Straftaten Jugendlicher befassen und deshalb besonders rasch in die Struktur des Neuköllner Modells eingearbeitet werden können. Die Staatsanwaltschaft und viele Jugendrichter beteiligen sich an der Durchführung von diesbezüglichen Einweisungen auf den Abschnitten und bei Kursen in der Polizeischule. Sämtliche Verfahrensbeteiligten verfolgen inzwischen ein Ziel und haben sich zu diesem Zweck aus ihren jeweiligen Elfenbeintürmen herausbegeben. Das ist für mich ein über das „Neuköllner Modell" hinausgehender Zwischenerfolg auf dem Weg zur Problemlösung: eine konsequente Zusammenarbeit auf der Handlungsebene.
Die Verfahren, die wir auf diese Weise erledigen, sind allerdings nicht geeignet, auf Intensivtäter einzuwirken, da bei diesen bereits Jugendstrafen im Raum stehen. Aber ein Element zur Verhinderung von Intensivtäterkarrieren ist darin durchaus zu sehen.
Wir sind gegenwärtig auch noch nicht in der Lage, eine Vielzahl besonders beschleunigter Verfahren vorzuweisen. Es waren von Juli 2008 bis Januar 2010 ungefähr 180 für die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg. Das ist nicht genug. Aber es ist ein langer Prozess, bis sich eine Veränderung manifestiert und alle Polizeibeamten geschult sind und einen Blick für die geeigneten Verfahren entwickeln. Man mag uns die Zeit geben. Schließlich ist jahrzehntelang auf der praktischen Ebene gar nichts geschehen, um die Jugendstrafverfahren zu beschleunigen, obwohl dies in einigen theoretischen Konzepten eingefordert wurde. Besonders diejenigen, die jetzt gegen den Ansatz wettern und meinen, das Konzept müsse erst einmal evaluiert werden, haben sich meiner Kenntnis nach noch nicht mit eigenen praktikablen Vorschlägen hervorgetan.
Ich begrüße und begleite darum jeden weiteren Vorstoß, der sich wie das „Neuköllner Modell" und die „Wiederbelebung" der Bußgeldverfahren nach dem Berliner Schulgesetz auf der praktischen Ebene bewegt. Hier sind entsprechende Entwicklungen auch auf anderen Ebenen zu beobachten.
Die »Task-Force Okerstraße«- TFO
Ich möchte ein Projekt im Neuköllner „Schillerkiez", der sich in meinem Zuständigkeitsbereich befindet, darstellen, um eine aus meiner Sicht klar an der Rotterdamer Linie ausgerichtete Strategie im Umgang mit Problemvierteln zu verdeutlichen.
Die Umgebung des Quartiersmanagements „Schillerpromenade" (QM), in das die TFO integriert ist, wird geprägt von einem ehemals wunderbaren, etwa 100-j ährigen Altbaubestand. Dieser weist zwar offensichtlichen Überholungsbedarf auf, hat aber von seinem Charme bisher nichts verloren. Die Mieten sind günstig, es leben dementsprechend viele Menschen in den Häusern, die keine Arbeit haben oder mit geringen Einkünften auskommen müssen. Nichts lässt hier auf die unweit gelegene Hermannstraße schließen, einer Einkaufsmeile mit Billigläden, aufgereiht wie auf einer Perlenkette, Spielhallen und mehr oder weniger einladenden deutschen Kneipen und multikulturellen Imbissen. Die Schillerpromenade und die angrenzenden Nebenstraßen wirken auf den ersten Blick von November bis März ruhig. Die Promenade hat ihren Namen verdient. Sie wird von einem breiten Grünstreifen mit herrlichen Bäumen geteilt, am Herrfurthplatz steht die Genezarethkirche, das Kopfsteinpflaster intensiviert den etwas dörflichen Charakter. Eine Grundschule befindet sich ebenfalls mitten im Kiez. Eigentlich könnten hier Kinder friedlich aufwachsen, vormittags die Schule besuchen und nachmittags spielen - ohne dass die Eltern sich Gedanken machen müssten, ob denn auch für die Sicherheit gesorgt ist, wenn man die Kleinen draußen unter sich sein lässt. Schließlich wurden in den letzten Jahren für mehrere Millionen Euro aus staatlichen Mitteln zusätzlich Bänke und Tische aufgestellt, Spielplätze angelegt sowie eine Streetball-Anlage, ein Jugendclub und der Mädchentreff „Schilleria" geschaffen, um die Angebotsvielfalt zu erhöhen. So ähnlich liest es sich dann auch, wenn man im linksautonomen Blog „Soziale Kämpfe" recherchiert und dort geschrieben steht: „In Berlin-Neukölln, im südlichen Kiez an der
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