Das Ende der Geschichten (German Edition)
Zumindest war es das beim letzten Mal. Er kann das alles wirklich gut erklären.»
«Ich weiß noch nicht. Vielleicht. Wann ist das nochmal?»
«Am 20. März.»
Der Tag vor der Eröffnung des Labyrinths. Eigentlich hatte ich vorgehabt, an dem Abend etwas mit Frank und Vi zu unternehmen, aber diese Pläne hatten sich natürlich längst zerschlagen.
«Ich muss nochmal in meinen Kalender schauen.»
«Na, sag mir einfach Bescheid, wenn du es weißt. Wir könnten zusammen hingehen. Und vorher vielleicht noch etwas essen, eine Pizza im Rumour zum Beispiel.»
«Gut. Ich sag’s dir noch.»
«Ach, noch was ganz anderes. Gibt’s was Neues wegen der Zeb-Ross-Sache?»
«Das erfahre ich Mitte März», antwortete ich. «Wir müssen noch ein bisschen die Daumen drücken. Aber auf jeden Fall wirst du – oder wer immer es sonst wird – ein zurückgezogener Einsiedler sein, der irgendwie entstellt ist. Mehr weiß ich selbst noch nicht.»
«Inwiefern entstellt?»
«Daran arbeiten wir im Augenblick.»
«Also richtig entstellt, meinst du? Muss ich mich dann operieren lassen?»
Ich musste lachen. «Du Zapfen», sagte ich. «Natürlich nicht.»
Josh lachte mit. Wir lachten beide immer noch, als Christopher mit seinen Röntgenbildern nach draußen kam, die zeigten, dass die Hand an drei Stellen gebrochen war. Mindestens sechs Wochen lang würde er nicht arbeiten können.
***
So spät am Abend ging keine Fähre mehr, deshalb fuhr ich wieder nach Totnes und dann über die Lanes nach Dartmouth zurück. Jedes Mal, wenn die Straße ein wenig uneben wurde, wimmerte Christopher leise und hielt sich die Hand, doch er sagte nichts. Ich hatte den Impuls, mich zu entschuldigen, tat es aber nicht, weil ich gleichzeitig den Impuls hatte, ihn anzubrüllen, dass er selber schuld sei, dass er alles, worüber er sich so aufregte, einzig und allein sich selbst zuzuschreiben habe. Mir war klar, dass er mich gern nach Josh gefragt hätte. Hatte ich wieder mit ihm geflirtet? Worüber hatten wir zusammen gelacht? Und was würde ich ihm wohl auf eine solche Frage antworten? Nein, ich bin nicht in deinen Bruder verliebt; allerdings fühle ich mich sehr zu einem Mann hingezogen, der fünfundzwanzig Jahre älter ist als ich und den ich niemals haben kann. Aber so oder so bin ich mir nicht sicher, ob ich dich noch liebe, und heute Abend würde ich dich am liebsten gar nicht in meiner Nähe haben, weil du so ein bescheuerter Idiot bist. Die Gedanken stürmten durch meinen Kopf wie ein Lynchmob mit Mistgabeln. Was zum Teufel dachte er sich dabei, einfach gegen Wände zu schlagen und allen den Abend zu verderben? Und wie konnte er es wagen, jetzt zu schweigen? Wenn er unbedingt eine blöde Bemerkung wegen Josh machen wollte, warum tat er das dann nicht? Doch nach einer Weile ließ ich den wütenden Mob seiner Wege ziehen. Ich war müde, und die Hecken zu beiden Seiten der Lanes sorgten dafür, dass ich mich sicher fühlte, obwohl ich nicht hätte sagen können, wovor. Wieder stellte ich mir vor, in einen Dachsbau zu kriechen, doch diesmal hatte ich Rowan dabei. Wir wurden Herr und Frau Dachs und lebten glücklich bis ans Ende unserer Tage, friedlich und geborgen unter der Erde.
Ich konnte nicht fassen, dass ich Rowan tatsächlich von dem Buch über übersinnliche Phänomene erzählt hatte. Hinten standen Übungen drin, die ich als Kind ausprobiert hatte, und obwohl ich mich dunkel erinnerte, dass Rosa einmal schwer beeindruckt gewesen war, als ich ein Pendel in einem Glas durch reine Konzentration in Bewegung setzte, fürchtete ich doch, dass Rowan mich für völlig bescheuert halten würde, wenn er davon erfuhr. Einmal hatten Rosa und ich einen verregneten Samstagnachmittag damit zugebracht, Karten mit Abbildungen von Symbolen anzufertigen, und dann hatten wir abwechselnd versucht zu erraten, welches Symbol die andere sich gerade ansah. Außerdem übten wir Fernwahrnehmung. Oft gingen wir in den Park, wo wir uns gegenseitig die Augen verbanden und den telepathischen Anweisungen der anderen folgten, um an eine bestimmte markierte Stelle zu gelangen. Ich erinnerte mich, dass wir recht spektakuläre Ergebnisse erzielt hatten – zumindest glaubten wir das damals.
Wenn wir zwischendurch in meinem Zimmer saßen, Limonade tranken und Kekse aßen, führten wir köstliche, halb geflüsterte Gespräche über Rosas Poltergeist. Anscheinend tat er niemandem etwas, brachte nur jede Nacht das Haus in Unordnung. Rosas Eltern wollten einen Exorzisten
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