Das Ende der Geschichten (German Edition)
Katzen, wenn sie geradeaus liefen, nun einmal mit dem Kopf vorangingen. So gesehen verursache also die Bewegung der Katze, ihre äußere Erscheinung, die Struktur ihrer Beine und dergleichen mehr, dass der Kopf zuerst erscheine, was dann in gewisser Weise alles andere «auslöse». Schließlich hatte die Diskussion dazu geführt, dass Caleb und mein Vater vor der Katzenklappe lagen und hindurchsahen, weil sie beide auf einen realen Beweis ihrer jeweiligen Argumente hofften. Die Katzen allerdings lagen schlafend oben im Wäschekorb, und so starrten mein Vater und Caleb einfach so lange in die leere Küche, bis das Fußballspiel anfing.
Auf den Lanes war immer noch alles still. Ich fuhr die holprige Straße entlang, die am Sharpham Estate vorbeiführte, dann weiter bergab Richtung Bow Creek. Christopher hielt sich die Hand, während wir die kleine, gewölbte Brücke am Waterman’s Arms überquerten. Wir ließen das Maltster’s Arms und die Tuckenhay Mill links liegen und gerieten auf einen weiteren holprigen Straßenabschnitt. Christopher wimmerte erneut.
«Kannst du bitte ein bisschen vorsichtiger fahren?», sagte er.
«Ich kann jetzt leider keine Planierraupe organisieren, um die Unebenheiten plattwalzen zu lassen.»
«Du hättest doch die Hauptstraße nehmen können.»
Ich seufzte. Natürlich hätte ich. Ich hätte ihn auch mit der Halbwahrheit aufheitern können, die ich mir zurechtgelegt hatte – dass nämlich ganz unerwartet dreitausend Pfund auf meinem Konto eingegangen seien. Damit waren wir in der Lage, unsere Schulden abzubezahlen. Zudem konnte er sich etwas Neues zum Anziehen kaufen und vielleicht sogar eine kurze Weiterbildung zu Kulturerbestätten oder Konservierungstechniken oder dergleichen belegen, die ihm helfen würde, eine Stelle zu finden, wie er sie sich wünschte. Ich wusste, es würde ihm sehr viel besser gehen, wenn er jeden Tag etwas tun konnte, das ihm Freude machte. Vielleicht ging es dann auch uns besser. Aber aus irgendeinem Grund sagte ich nichts. Ich dachte immer noch über das nach, was Rosa in dem Interview gesagt hatte. Natürlich hatten sie schließlich tatsächlich einen Exorzisten ins Haus geholt, doch der hatte nichts tun können. Der Grund dafür war rasch erklärt. Offenbar waren Poltergeister wie der ihre in praktisch allen Fällen eine Auswirkung der gestörten Energien eines Kindes im vorpubertären Alter, das sich in unmittelbarer Nähe aufhielt. Echte Geister konnte man wieder in die Unterwelt zurückschicken oder dorthin, wo sich Geister sonst üblicherweise aufhielten, aber bei Poltergeistern funktionierte das nicht. Sie waren Manifestationen von Unglück, Angst und kindlicher Verunsicherung und hörten erst auf, ihr Unwesen zu treiben, wenn das betreffende Kind entweder älter oder aber fröhlicher wurde. Die arme Rosa musste daraufhin zahllose Fragen zu sämtlichen Traumata über sich ergehen lassen, die sie im Leben bereits erlitten hatte. Doch der Poltergeist verschwand erst etwa ein halbes Jahr später, als Toby und ich zusammen mit unserer Mutter auszogen.
***
Am nächsten Morgen regnete es wieder. Christopher schlief wie betäubt von den starken Schmerzmitteln, die man ihm im Krankenhaus mitgegeben hatte. Obwohl ich nichts für ihn tun konnte, hatte er mich angefleht, ihn nicht alleine zu lassen. Am Abend wollte ich mich mit Libby treffen, aber wie es aussah, würde das wohl nicht möglich sein. Der Regen draußen erzeugte tröpfelnde und gurgelnde Geräusche, und während Christopher schlief, setzte ich mich mit dem Notebook aufs Sofa und richtete mein privates E-Mail-Konto wieder ein. Von Vi war keine einzige Nachricht darin, dafür aber umso mehr Mails, die sich um die Fernsehrechte drehten. Außerdem hatte mein neuer Agent ein paar Fragen zu meinem Roman und wollte wissen, ob ich ihn dieses Jahr wohl fertig schreiben würde. Ich schrieb ihm eine lange Mail über die Notizbuch-Idee, doch dann kam sie mir irgendwie verkehrt vor, und ich löschte sie wieder. Dann verfasste ich eine zweite lange Mail, in der ich der Hoffnung Ausdruck gab, meine Karriere künftig vielleicht etwas mehr in die Richtung lenken zu können, die ich ursprünglich geplant hatte. Ich deutete an, dass ich mich für die Newtopia-Reihe eher schämte, und erkundigte mich, ob mein Name denn im Nachspann genannt werden müsse, falls die Serie tatsächlich zustande kam. Ich erklärte ihm, dass ich die Genreromane hinter mir lassen und eine ernst zu nehmende Autorin werden wolle, und
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