Das Ende der Geschichten (German Edition)
sowieso gerade hin. Vielen Dank.»
Ich ging ein Stück weiter die Uferpromenade entlang, bis ich an eine verwitterte rote Tür kam, die von alten Krebsreusen, Tauen und Fischernetzen umrahmt wurde. Wenn man nicht wusste, dass es da war, konnte man das Foghorn ohne weiteres übersehen. Es gab zwar ein Holzschild, doch das war selbst im Winter komplett zugewuchert. Andrew war das vermutlich gerade recht: So hatte er nur mit Anwohnern und Stammgästen zu tun und musste sich nicht mit Touristen herumschlagen. Es gab schließlich auch so genügend Leute, die wussten, dass man ins Foghorn gehen musste, wenn man Lust auf ein echtes Ale, eine Portion Krabben, ein Dutzend Austern – beides aus der Gegend – oder ganz frisch gefangenen Fisch hatte. Die rote Tür schwang von Klimpergeräuschen begleitet auf. Drinnen lief immer gute Musik: Häufig waren es Platten, die ich entweder gut kannte oder seit langem nicht mehr gehört hatte, worüber ich mich ziemlich freute. Beim letzten Mal, als ich mit Libby hier gewesen war – zum Austernessen, sie hatte mich eingeladen –, war eine Sammlung aktueller Seemannslieder gespielt worden, und wir hatten am Feuer gesessen und die von Tom Waits mitgesungen. Später hatte Libby mir erzählt, sie sei einem Mann namens Mark begegnet, der ganz unglaubliche Augen habe, und sie habe ihn sofort küssen wollen, als sie ihn sah. Er kam zu ihrem Strickkränzchen – der einzige Mann, der jemals zum Strickkränzchen gekommen war. Und obwohl Libby schon seit Jahren strickte, hatte sie nicht gewusst, wie viel leichter es war, die Wolle aus der Mitte des Knäuels zu holen anstatt vom Rand. Das hatte Mark ihr gezeigt und dazu noch ein paar weitere Tricks. Im Gegenzug hatte Libby ihm den Maschenstich beigebracht. Mark hielt beim Stricken eine Nadel unter den Arm geklemmt, wie einen Dudelsack. Er behauptete, so hätten all seine männlichen Vorfahren in Northumberland gestrickt.
Heute empfing mich der Carpenters-Song «Superstar». Andrew Glass war um die fünfzig und treibholzdürr, hatte ein sturmgegerbtes Gesicht, blondes Haar und tiefblaue Augen, die hinter den Gläsern seiner runden Drahtbrille schimmerten. Er lehnte am Tresen und las den Guardian . Gleich neben ihm lag ein Stapel Zeitschriften: The Economist , New Scientist , The Spectator , Private Eye – nicht gerade die übliche Auswahl für ein Pub in Devon. Es war nur eine Handvoll Gäste da, die alle mit ihrem jeweiligen Pint in Winkeln und Eckchen hockten. Am Kamin saß ein Mann und las ein Taschenbuch, einen Thriller; B. ging zu ihm und schnüffelte an seinem Bein, doch er sah nicht einmal auf. Etwa zwei Drittel des Buchs hatte er schon durch, und es wirkte, als könnte die Welt um ihn herum zusammenbrechen, er würde doch nicht aufhören zu lesen. Ich pfiff B. zurück und trat an den Tresen.
«Andrew», sagte ich. «Hallo. Kann ich ein halbes Pint Beast kriegen?»
«Beast» – so hieß ein Ale aus dem Exmoor, dessen Name mir jetzt noch sehr viel passender erschien als sonst. Andrew blickte von seiner Zeitung auf.
«Hallo, Meg», begrüßte er mich lächelnd. Er nahm seine Brille ab, kam näher und drückte mir über die Theke hinweg die Hand. «Lange nicht gesehen.»
«Ich weiß. Wie läuft’s mit dem Buch?»
Er stöhnte nur. «Ich weiß hier ja kaum noch, wo mir der Kopf steht. So viel zu dem Vorsatz, Zeit zum Schreiben zu haben, wenn man erst einmal bei der Marine aufgehört hat. Seit über einem Monat habe ich nichts mehr getan. Aber nächste Woche fängt ein neuer Barmann hier an, dann wird es hoffentlich etwas leichter. Wie geht’s denn bei dir? Was macht das Schreiben?»
«Ich fürchte, ich habe gerade einen kompletten Roman gelöscht, aber sonst ist alles bestens. Offenbar bin ich einfach nicht fähig, richtig anzufangen. Ich bin ganz neidisch auf dich. Wie viel hast du jetzt geschrieben? Hundertfünfzig Seiten?»
«So in etwa. Und ich habe übrigens deinen Rat befolgt.»
«Was habe ich dir denn für einen Rat gegeben? Ich hoffe, es war ein guter.»
«Du hast mir geraten, mehr von meinen eigenen Erfahrungen einzubringen und eine konventionelle Erzählstruktur zu verwenden. Nicht nur von der Katastrophe zu berichten, sondern auch davon, wie ich das alles in Erfahrung gebracht habe. Und mein Leben auf See einzubeziehen. Ich hatte gerade angefangen, den ersten Teil zu überarbeiten, als Danny eingezogen wurde – hast du gehört, dass er jetzt mit der Freiwilligenreserve im Irak ist?» Er reichte mir mein
Weitere Kostenlose Bücher