Das Ende der Geschichten (German Edition)
und schon geht es ihm besser. Jetzt ist mir allerdings klar geworden, dass es so einfach gar nicht ist. Sonst würde ja auch jeder damit arbeiten.»
«Wenn du ein natürliches Schmerzmittel suchst», riet mir Andrew, «dann besorg dir doch Silberweidenrinde. Die enthält denselben Wirkstoff wie Aspirin. Wirkt super. Du bekommst die Tabletten im Reformhaus. Ich nehme die immer, weil ich von Aspirin Verstopfung kriege.»
«Silberweidenrinde?»
«Genau.»
***
Bevor ich nach Totnes weiterfuhr, schrieb ich Josh eine SMS: Hab Buch für Dich dabei. Bist Du zu Hause? Totnes wirkte ruhig und verschlafen, und ich fand problemlos einen Parkplatz an der Fore Street, direkt vor dem Greenlife. B. pennte auf dem Rücksitz, doch als wir hielten, wachte sie auf. Sie rappelte sich hoch, gähnte und warf einen Blick aus dem Fenster. Die ganze Fahrt über hatte ich die Uhr am Armaturenbrett nicht aus den Augen gelassen und mir nach jeder verstrichenen Minute aufs Neue überlegt, wie ich meine lange Abwesenheit erklären sollte, wenn ich wieder nach Hause kam. Aufgebrochen war ich gegen zwei. Jetzt war es nach vier, es wurde bereits dämmrig, und der Himmel zerfiel in einzelne Teile vornächtlichen Graus. Ich hatte noch den Beast-Geschmack im Mund. Christopher würde an meinem Atem merken, dass ich im Pub gewesen war. Ich musste mir Pfefferminzbonbons kaufen. Und schlimmer noch: Wie sollte ich den Schlüsselbund in meiner Anoraktasche erklären? Das ging auf gar keinen Fall. Im Vergleich zu den Schlüsseln in meiner Tasche sollte es eigentlich ein Klacks sein, zu erklären, warum ich so lange weggeblieben war.
Während B. hinter mir gähnte und sich streckte, überschlug ich, dass ich etwa eine Viertelstunde brauchen würde, um Silberweidenrinde für Christopher und Pfefferminzbonbons für mich zu kaufen, anschließend den Hügel hinaufzufahren, im Halteverbot zu parken und Josh rasch das Buch vorbeizubringen; eine halbe Stunde später konnte ich dann zu Hause sein. Bei meiner Rückkehr wäre es zwar bereits nach fünf, aber das würde schon noch passen. Ich konnte ja behaupten, dass ich den Großteil des Nachmittags auf der Bank verbracht hätte, um mich um das Geld zu kümmern. Ich konnte von Fortbildungen und neuen Kleidern schwärmen und vielleicht sogar von einem umweltverträglichen Urlaub – womöglich bekäme das Leben dann ja wieder etwas mehr Glanz. Im Grunde wollte ich aber gar nicht nach Hause. Ich wollte zum Seashell Cottage zurückkehren, im Foghorn etwas zu Abend essen und später alleine schlafen.
Es war nicht weiter schwierig, bei Greenlife Silberweidenrinde zu finden. Aber eine Packung Tabletten erschien mir ein bisschen wenig für drei Stunden außer Haus, und so stöberte ich noch etwas herum und nahm ein Arnika-Heilbad mit, das bei Blutergüssen, Verstauchungen und Knochenbrüchen helfen sollte. Aus einer Laune heraus erstand ich noch ein komplettes Bachblüten-Set mit dem passenden Buch dazu. Ich sah mich bereits in der Küche stehen, so wie Vi, und eine Arznei speziell für Christopher zusammenmischen. Als ich in dem Buch blätterte, stieß ich auf ein paar der Essenzen aus der Mischung, die Vi für mich gemacht hatte. Jeder waren zwei bis drei Seiten gewidmet. Der Holzapfel, der nicht in meiner Mixtur war, eignete sich für gestresste, perfektionistische Menschen, die ständig alles sauber und ordentlich haben mussten und sich vor Dreck grausten. Ich fragte mich, was «meine» Essenzen wohl über mich aussagten. Als ich gerade an der Kasse stand, vibrierte mein Handy. Eine SMS von Josh: Notfall. Bin im Papierladen. Schlimme Zahlen. Hilfe? Ich konnte mir in etwa vorstellen, was das zu bedeuten hatte, und so eilte ich zum Auto zurück und fuhr bergauf. B. bedachte mich mit einem Blick, den ich in die Frage «Was um Himmels willen ist denn jetzt los?» vermenschlichte. Daher erklärte ich ihr, dass wir kurz noch Josh retten und anschließend heim nach Dartmouth fahren würden, dass wir auf den Lanes vielleicht noch ein paar Eichhörnchen zu sehen bekämen und es definitiv Zeit für ihr Abendessen sei, wenn wir wieder nach Hause kämen. Sie legte jedes Mal den Kopf schief, wenn sie ein Wort verstand: Josh, Dartmouth, Eichhörnchen, Abendessen . Ich überlegte, ob es die Kommunikation mit B. wohl erleichtern würde, wenn ich einfach nur Substantive verwendete und sie in etwa der Abfolge aneinanderreihte, in der die damit verbundenen Geschehnisse auftreten würden. Sah B. die Welt womöglich genau so: als
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