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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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eingefallen. Seither überlegte ich, ob ich Milly nicht einmal anrufen sollte, um mich mit ihr auf einen Kaffee oder zum Mittagessen zu treffen. Doch ich hatte es nie getan, weil ich Christopher nicht anlügen wollte.
    «Es ging mir schon mal besser», antwortete Milly jetzt auf Joshs Frage. Dann wandte sie sich an mich: «Was macht Christophers Hand?»
    «Sie ist gebrochen. Aber das ist er selber schuld.»
    «Ja.» Millys Augen füllten sich mit Tränen.
    «Alles in Ordnung?», erkundigte ich mich.
    «Ich weiß nicht. Am besten beachtest du mich gar nicht. Wir sollten jetzt zusehen, wie wir die blöden Karten wegbekommen.»
    «Josh möchte nicht, dass wir sie anfassen», sagte ich.
    Milly verdrehte die Augen und ging hinüber zum Ladentisch, wo die Verkäuferin in einem Buch las. Nach einem kurzen, geflüsterten Wortwechsel, von dem ich nichts mitbekam, ging Milly seufzend zu dem Drehständer an der Tür und nahm alle Karten mit Zahlen darauf heraus. Dann kehrte sie zum Ladentisch zurück, lud sie alle ab und holte ihr Portemonnaie aus der Tasche. Josh hielt die ganze Zeit die Augen fest geschlossen, und als er Milly erneut seufzen hörte, griff er nach meiner Hand.
    «Ihnen ist aber schon klar, dass das achtunddreißig Pfund und vierzig Pence macht?», fragte die Verkäuferin.
    «Ja», erwiderte Milly. «Sie nehmen doch sicher Kreditkarten?»
    Kurze Zeit später verließ sie mit einer großen Papiertüte den Laden. Josh hatte immer noch die Augen geschlossen. Die Türglöckchen bimmelten, als Milly nach draußen ging.
    «Was ist los?», wollte Josh wissen.
    «Alles gut», antwortete ich. «Die Zahlen sind weg.
    Er machte die Augen wieder auf. «Gott sei Dank. Wo ist Milly?»
    «Ich vermute mal, sie entsorgt sie irgendwo.»
    «Das hat sie ein Vermögen gekostet. Ich muss es ihr zurückzahlen. Und dabei ist sie eh schon so durcheinander wegen der Sache mit ihr und Dad und … Ach, ich bin so ein Zapfen!»
    «Alles gut», wiederholte ich noch einmal. «Mach dir keine Gedanken.»
    Als wir den Laden verließen, zitterte Josh immer noch. «Sagst du Milly vielen Dank von mir, wenn sie wiederkommt?», bat er. «Mir ist es gerade zu unangenehm, überhaupt noch irgendwen zu sehen, erst recht sie. Ich glaube, ich muss nach Hause und mich hinlegen. Ich bin so ein Weichei, ich kann es selber gar nicht glauben.»
    «Das stimmt doch gar nicht», meinte ich. «Sag so was nicht. Jeder hat Dinge, die ihm schwerfallen. Wartest du noch kurz? Dann hole ich dir das Buch aus dem Wagen. Und schreibst du mir später noch eine SMS, wie’s dir geht?»
    «Ja. Vielen Dank, Meg. Ich schulde dir was. Und es tut mir schrecklich leid.»
    B. war gerade wieder aufgewacht; jetzt stellte sie sich am Fenster hoch und winselte Josh an, doch der schien das gar nicht zu bemerken. Das Buch lag noch unzerkaut in der Plastiktüte auf dem Armaturenbrett. Ich reichte es Josh. Er wandte sich ab und ging weiter bergauf, die Tasche unter dem Arm, als wäre ein Stadtplan darin, den er bereits aufmerksam studiert hatte.
    Kurz nachdem er gegangen war, kam Milly zurück.
    «Was hast du mit den Dingern gemacht?», fragte ich.
    «Wohltätigkeitsladen», antwortete sie. «Der arme Josh.» Sie senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände.
    «Hey … Geht’s dir auch wirklich gut?»
    Milly zog die Stirn in Falten. «Ich könnte einen Kaffee vertragen, falls du Zeit hast.»
    «Klar.» Ich schaute gar nicht erst auf die Uhr, sondern beschloss nur, dass das Auto ja eine Panne gehabt haben konnte. Es hatte schließlich ständig Pannen.
    ***
    «Ich werde nicht zu Peter zurückgehen», sagte Milly. «Ich ziehe nach London.»
    Trotz der Kälte saßen wir mit unserem Latte macchiato draußen vor dem Barrel House, weil B. sich geweigert hatte, im Wagen zu bleiben. Jetzt schnüffelte sie um den Tisch herum; vielleicht suchte sie ja nach den versprochenen Eichhörnchen. Milly trug türkisfarbene fingerlose Handschuhe und hielt ihren Kaffee mit beiden Händen umfasst, als wäre er die einzige Wärmequelle in ihrem Leben.
    «Aber …»
    «Ich liebe ihn sehr», sagte sie. «Aber es geht einfach nicht.»
    Sie fing an zu weinen, und ich reichte ihr meine Serviette.
    «Meine Güte, nicht mal drüber reden kann ich. Wie geht es dir denn? Nach dem Fest damals hätte ich dich so gern wiedergesehen, aber ich habe mich nie gemeldet, und jetzt sehe ich dich wahrscheinlich nie mehr wieder. Und das ist so schade, weil ich immer dachte, wir könnten Freundinnen werden. Ach, ich rede Unsinn,

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