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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Aufstand gemacht hatte und mit Christopher durchgebrannt war, obwohl Vi mir ein Zimmer bei sich anbot, solange ich es brauchte. Während der ersten paar Tage, die wir zusammen in Devon verbrachten, hatte Christopher kein einziges Wort gesagt. Ich glaubte, er würde darüber hinwegkommen und das Trauma, sich mit Becca zerstritten und Drew betrogen zu haben, irgendwann verarbeiten. Doch so richtig war das nie geschehen. Wie kann ich mit Christopher glücklich werden? Das war in den letzten sieben Jahren die alles entscheidende Frage gewesen. Es musste doch einen Weg geben. Wir waren beide jung, und rein objektiv war er auch immer noch attraktiv, obwohl seine Wirkung auf mich inzwischen kaum anders war als die des Sofas, der Kochtöpfe oder der Fernbedienung. Warum hatte ich in letzter Zeit so viel an diesen Mann gedacht, der jetzt vor mir stand und plötzlich so schmal und schutzlos wirkte wie ein junger Baum im Wirbelsturm? Warum wollte ich ihn immer noch küssen, obwohl das doch keinen Zweck hatte – ja, völlig sinnlos war?
    «Ach nein?», fragte Rowan. «Ich dachte immer, genau das wollen alle. Wenn du erst mal in meinem Alter bist …»
    «Spielt das denn eine Rolle? Spielt Alter eine Rolle?»
    «Ich bin vergangene Woche sechzig geworden. Und ja, ich glaube, das spielt schon eine Rolle. Ich werde nie wieder jung sein. Und ich habe keine Lust, allein in einer Junggesellenbude zu hocken, zu viel zu trinken und keinen Menschen mehr zu Gesicht zu bekommen.»
    B. zog an der Leine, sie wollte nicht mehr stehenbleiben. Weil sonst kaum jemand unterwegs war, ließ ich sie frei laufen. Sie warf mir einen Blick zu, um sicherzugehen, dass ich das auch ernst meinte, dann trottete sie davon und schnüffelte nacheinander die Beine der nächsten Bank ab. Anschließend schaute sie wieder zu mir herüber, um zu sehen, was ich tun würde. Ich schlenderte langsam weiter, und Rowan folgte mir. B. ging hinter uns her, schnüffelnd und schauend und schnüffelnd und schauend.
    «Rowan», sagte ich, als er wieder zu mir aufgeschlossen hatte. «Warum erzählst du mir das?»
    «Ich dachte, das würdest du verstehen. Ich dachte – vielleicht hatte ich es auch nur gehofft –, du verstehst vielleicht, dass ich einen Freund oder eine Freundin brauche. Ich kenne hier kaum Leute, die nicht mit Lise befreundet oder mit ihr verwandt sind. Und sie will nicht, dass irgendwer von unseren Problemen erfährt. Ich dachte, vielleicht kann ich mich dir ja anvertrauen. Ich weiß schon, du bist nur halb so alt wie ich, und –»
    «Ich bin fast vierzig», unterbrach ich ihn. «Also, in zwei Jahren. Das ist nicht halb so alt wie du.»
    «Trotzdem bin ich alt genug, um dein Vater zu sein.»
    «Stimmt. Aber du bist nicht mein Vater.»
    Er seufzte. «Na ja, jedenfalls wollte ich deswegen mit dir zu Mittag essen. Ich wünschte, ich hätte diese Mail nie geschrieben, aber E-Mails kann man nun mal nicht zurücknehmen. Ich wollte nicht, dass du mich für einen lüsternen alten Mann hältst, der einen weiteren plumpen Annäherungsversuch macht. Ich wollte einfach nur ganz dringend mit jemandem reden, der mich vielleicht versteht. Wahrscheinlich war das selbstsüchtig von mir. Es hat mich nicht überrascht, dass du nicht geantwortet hast, nach allem, was zwischen uns passiert ist. Ich kann dir nur sagen, dass es mir schrecklich leidtut.»
    Der Wind peitschte flussabwärts, und B. lief schwanzwedelnd weiter zur nächsten Bank.
    «Ich habe geantwortet», sagte ich.
    «Ach ja?»
    «Ja. Heute Nachmittag.»
    «Oh. Ich checke meine Mails nur im Büro. Was hast du denn geschrieben?»
    «Dass ich sehr gern mit dir zu Mittag essen würde. Jetzt hältst wahrscheinlich du mich für lüstern.» Ich lachte, obwohl ich das ganze Gespräch alles andere als komisch fand. «Mein Gott … dann musst du auf der Fähre, als ich dich gefragt habe, ob wir Mittag essen gehen, ja gedacht haben, ich bin eine lüsterne junge Frau, die einen weiteren plumpen Annäherungsversuch macht», fuhr ich fort. «Nein. Dazu brauchst du nichts zu sagen. Wie kommst du nur darauf, ich könnte dich für einen lüsternen alten Mann halten? Ich kenne niemanden, auf den diese Bezeichnung weniger passen würde. Das ist so was von bescheuert.»
    Er zuckte bekümmert die Achseln. «Tut mir leid, dass du mich für bescheuert hältst.»
    «He, ich meine das doch nur nett», sagte ich. «Und nur fürs Protokoll: Ich wollte dich auf der Fähre keineswegs zu einem Date überreden. Ich habe da etwas, das ich dir

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