Das Ende der Geschichten (German Edition)
gern zeigen würde. Ein Flaschenschiff, das ich zufällig gefunden habe. Ich will dich schon ewig fragen, ob du es dir mal ansiehst und mir vielleicht sagen kannst, wo es herkommt. Vielleicht könnte ich es dir ja mal vorbeibringen? Irgendwie würde ich es gern in meinen Roman einbauen, aber ich weiß einfach zu wenig darüber.»
«Natürlich. Wusstest du, dass wir gerade die William-H.-Dawe-Flaschenschiffsammlung als Leihgabe bei uns im Schifffahrtsmuseum haben? Die kannst du dir gern anschauen, falls du sie nicht schon im Museum in Dartmouth gesehen hast.»
«Sehr gern. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du mir nicht erklärst, wie sie da reinkommen.»
«Was? Wie die Schiffe in die Flaschen kommen?»
Ich nickte. «Das weiß ich nämlich nicht. Und eigentlich will ich es auch gar nicht wissen.»
«Gut.» Rowan sah zu, wie die Higher Ferry über den Fluss herankam. «Wo ist eigentlich dein Freund? Das will ich dich schon den ganzen Abend fragen.»
«Christopher? Wir hatten heute Morgen einen Riesenstreit.»
«Was Ernstes?»
«Ach, letztlich wahrscheinlich nicht.» Ich seufzte. «Ich weiß auch nicht.»
«Na ja, wenn du magst, kannst du mir ja dann auch davon erzählen. Ich würde mich gern irgendwie revanchieren.»
«Dabei zeigst du mir doch schon die Flaschenschiffe.»
Er lächelte. «Das wird nicht lange dauern. Es gibt da eins in einer Glühbirne, das wird dir gefallen.»
Ich biss mir auf die Unterlippe. «Ich weiß aber nicht, ob ich dir wirklich helfen kann. Ich bin nämlich nicht besonders klug.»
«O doch, das bist du.»
«Nicht, wenn es um Beziehungen geht.»
«So schlimm wie ich kannst du gar nicht sein. Wenn man Lise glaubt, habe ich nicht die leiseste Ahnung von irgendwas.»
«Gut», sagte ich. «Ich werde es versuchen.» Mir standen die Tränen in den Augen. Eine Zeit lang gingen wir schweigend weiter. Wir kamen am Boat Float vorbei, der aussah wie ein benutztes Spülbecken, in dem man gerade den Stöpsel gezogen hat und an dessen Rändern noch der Schaum klebt. Dann passierten wir die Royal Avenue Gardens und die öffentliche Toilette.
«Wie wäre Mittwoch?», fragte Rowan.
«Wie bitte?»
«Zum Mittagessen. Mittwoch um eins im Lucky’s?»
«Ja, das passt», sagte ich. «Wunderbar. Ab hier komme ich auch gut alleine zurecht. Geh du mal nach Hause.»
«Bist du sicher?» Er schaute auf die Uhr.
«Klar», erwiderte ich mit einem Achselzucken.
Und er ging.
***
Das Haus wirkte leer, als ich hereinkam. Wo steckte Christopher? Es war viel zu spät, um noch irgendwo anzurufen, wo er vielleicht sein konnte, und das hätte ich natürlich sowieso nicht getan. In Gedanken ging ich unseren morgendlichen Streit noch einmal durch. Er hatte zu mir gesagt, ich solle mich verpissen – das war neu. Und ich hatte keinen Sex mit ihm gewollt, was auch noch nie vorgekommen war. Aber ich hatte jetzt Geld und eine Zukunft, und ich würde meinen Roman schreiben, während Christopher diese Burgruine restaurierte und vielleicht nebenher irgendeinen Kurs belegte. Vielleicht konnten wir ja irgendwann doch aus Dartmouth wegziehen. Aber vermutlich musste ich vorher erst meinen Roman fertig schreiben. Da geriet der Plan bereits ins Wanken. Selbst falls es mir gelang, den Roman fertig zu schreiben, würde Christopher sich doch weigern, ihn zu lesen. Er würde auch nicht zur Buchpräsentation kommen. Und falls doch, würde er sich auf der ganzen Hin- und der ganzen Rückfahrt über die arroganten Leute auslassen und sich darüber beklagen, dass für Bücher Bäume ihr Leben lassen mussten. Er würde absichtlich etwas möglichst Unvorteilhaftes anziehen und dazu seine türkisfarbenen Espadrilles tragen. Er würde wieder in seinen Drogendealer-aus-Brighton-Slang verfallen und den ganzen Abend über nur «Klar, Mann» oder «Nee, Mann» sagen, mit weit aufgerissenen Augen, sich über alle Leute lustig machen, die mir wichtig waren, und in den Bart hineinkichern, den er sich für diesen Anlass unter Garantie stehen ließ. Er würde allen erzählen, das Einzige, was er studiert habe, sei das Leben, und falls der Verlag uns in einem Hotel unterbrachte, würde Christopher betont laut über die anderen Gäste witzeln und mit aller Gewalt ein Gramm Koks kaufen wollen, weil das seiner Vorstellung vom «Luxusleben» entsprach.
Obwohl es schon fast zwei Uhr morgens war, fühlte ich mich immer noch hellwach, und B. schien es auch nicht anders zu gehen. Wenn wir länger als nur ein paar Stunden von zu Hause fort gewesen
Weitere Kostenlose Bücher