Das Ende der Geschichten (German Edition)
nur die Bewegung nachahmte, um mir zu signalisieren, dass ich ihn einschalten sollte. Jedenfalls konnte man ihn unmöglich irgendwo in Sichtweite haben, ohne dass sie verlangte, ihn einzuschalten. Wenn ich ihn auf die niedrigste Stufe stellte, wiederholte sie die Bewegung so lange, bis ich auf die höchste schaltete. Sobald der Heizlüfter dann auf Hochtouren lief, drehte sie sich zweimal davor um sich selbst, legte sich dann hin und blieb selig liegen, bis das Zimmer Saunatemperatur hatte. Dann fing sie an zu hecheln, stand auf, suchte sich ein kühleres Plätzchen und legte sich dorthin, und ich schaltete erleichtert den Heizlüfter aus. Nach zehn Minuten allerdings erhob sich B. wieder aus ihrer Ecke, und die ganze Prozedur begann von neuem. Deswegen stand der Heizlüfter nun im Schrank. Ich fragte mich, was wohl in einem Ratgeberbuch für Hunde stehen würde. Wahrscheinlich würde ein solches Buch ihnen erklären, dass sie und nicht die Menschen die wahren Rudelführer seien und es den Menschen besonders gut gefiel, wenn man sie zusammentrieb, ihnen einen klaren Tagesablauf diktierte und ihnen das Gesicht abschleckte. Vielleicht würde so ein Buch ja auch darlegen, was mit unseren Instinkten passiert war, als wir domestiziert wurden, und wie lustig es aussah, wenn wir die Bewegungsabläufe unserer Vorfahren nachahmten und versuchten, unser Leben interessanter zu gestalten, indem wir uns einredeten, Dinge zu tun, die wir eigentlich gar nicht beherrschten.
***
Als ich aufwachte, war es schon fast zehn Uhr. Die Heizung war nicht angesprungen, es roch kalt und modrig im Haus. Ich hustete heftig, trank eine Tasse Kaffee und zog mir eine Jogginghose und ein Kapuzensweatshirt über. Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte, band ich mir die Haare zu einem Pferdeschwanz und machte mich dann auf, um meinen Wagen bei Libby abzuholen. Ich zog B. eilig die Uferböschung entlang und am Boat Float vorbei, der jetzt wieder voll bräunlichem Wasser war. Als wir im Bayard’s Cove ankamen, ließ ich sie von der Leine, und sie stöberte zwischen den Pflastersteinen herum, während ich bei Libby klingelte.
«Lieber Himmel, Meg, was ist denn los?», fragte sie, als sie mich sah.
«Ich verlasse ihn. Ich ziehe weg aus diesem beschissenen kleinen, feuchten Haus. Ein für alle Mal. Ich werde jetzt mein Auto mitnehmen, dann packe ich all meine Sachen zusammen und ziehe in das Cottage. Das musste ich jetzt unbedingt jemandem erzählen.»
«Scheiße. Komm rein und trink einen Tee mit mir. Bob ist im Laden, aber ich habe heute frei, weil ich so einen Kater habe. Hast du jemals solche Augenringe gesehen? Rein mit dir, Bess!»
B. hörte auf, an den Bänken herumzuschnüffeln, und flitzte durch Libbys Haustür. Ich folgte ihr.
«Ich kann aber nicht lange bleiben», sagte ich. «Ich will meine Sachen draußen haben, bevor Christopher wiederkommt. Eine weitere Szene halte ich heute wirklich nicht aus. Oh, hier riecht es aber gut.»
«Das ist Lavendel. Sascha hat mir einen Strauß vorbeigebracht, um sich für gestern Abend zu bedanken. Wo ist Christopher denn?»
«Keine Ahnung. Als ich gestern nach Hause gekommen bin, war er nicht da.»
«Vielleicht hat er ja dich verlassen.»
Darauf war ich noch gar nicht gekommen. «Kann sein. Wie geht es dir denn?»
«Ach, du weißt schon. Was möchtest du denn für einen Tee?»
«Egal.»
Libbys Küche war erfüllt vom hellen Licht der Vorfrühlingssonne, und ich bemerkte die grünen Triebe in den Blumenkästen vor dem Fenster, wo die Zwiebeln zu sprießen begannen. Solche Sachen machten Libby und Bob häufig: Wenn es Herbst wurde, gingen sie irgendwann gemeinsam auf den Markt, kauften Blumenzwiebeln und setzten sie ein, und im Frühling sprossen sie dann. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch keine einzige Blumenzwiebel eingesetzt. Bei mir gab es immer irgendwelche Krisen oder Abgabetermine, ich musste meine Mutter anrufen, Christopher trösten, mit B. spazieren gehen oder irgendetwas für Oscar fertig lesen. Und wenn das alles getan war, hatte ich noch meinen Roman, an dem sich immer irgendetwas zu löschen fand. Mir fiel wieder ein, dass ich jetzt nur noch vierzig Wörter zu löschen brauchte, dann wäre er ganz verschwunden. Vielleicht konnte ich dann ja noch einmal völlig von vorn anfangen. Libby reichte mir einen Becher Roibuschtee mit Honig.
«Tja», sagte sie. «Das ist es nun. Das wird auf absehbare Zeit mein Leben sein.»
«Wie bitte?»
Sie lachte. «Du willst Christopher verlassen.
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