Das Ende der Geschichten (German Edition)
waren, absolvierte sie gern all ihre Lieblingsbeschäftigungen im Schnelldurchlauf. Sie hatte sich bereits auf ihrem alten Kauknochen gewälzt und ihren Tennisball die Treppe hinuntergeworfen. Ich gab ihr eine Handvoll Frolic, von denen sie einige verzehrte. Dann klapperte sie ihren Schlafplatz oben und ihren Schlafplatz unten ab, sprang auf den Sessel und jagte dann ihren Schwanz durchs Zimmer. Ich hatte nichts mehr zu lesen, also ging ich nach oben und holte das Buch über Hundepsychologie. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die Haustür auch richtig abgeschlossen war, setzte ich mich aufs Sofa. Ich lauschte nach dem Scharren, doch es war nichts zu hören.
Das Buch begann mit einer Zusammenfassung diverser Studien, die bewiesen, dass Hunde genauso intelligent waren wie Kinder. Zuletzt hatte eine Gruppe von Wissenschaftlern den klassischen «Stirn»-Versuch nachgestellt, der normalerweise dazu verwendet wird, die analytischen Fähigkeiten von Kindern zu testen. Beim ursprünglichen Versuch wird einem Kind gezeigt, wie man einen Lichtschalter betätigt. Die Versuchsleiterin macht das auf zweierlei Weisen. Beim ersten Mal betätigt sie den Schalter mit der Stirn, zeigt dabei aber offen ihre Hände. Beim zweiten Mal schaltet sie das Licht wieder mit der Stirn an, hat die Hände dabei aber unter einem Schal verborgen, sodass sie sie offensichtlich nicht benutzen kann. Benutzt die Versuchsleiterin die Stirn, obwohl man ihre Hände sieht, macht das Kind es ihr nach. Sind die Hände aber nicht einsatzfähig, schließt das Kind anscheinend messerscharf, dass die Versuchsleiterin die Hände benutzen würde, wenn sie nur könnte, und knipst seinerseits das Licht mit der Hand an. Bei der Hunde-Variante betätigt der Vorführhund einen Hebel manchmal nur mit der Pfote, und manchmal hat er zusätzlich noch einen Ball im Maul. Das Experiment bewies, dass Hunde offenbar genauso denken wie die Kinder beim ursprünglichen Versuch: Ein Hund würde einen Hebel instinktiv eher mit dem Maul als mit der Pfote bedienen, und wenn der Vorführhund scheinbar deshalb die Pfote verwendet, weil er einen Ball im Maul hat, benutzt der Versuchsteilnehmer seinerseits das Maul. Ist aber kein Ball im Spiel, also kein offensichtlicher Grund vorhanden, die Pfote dem Maul vorzuziehen, geht der Versuchshund davon aus, dass der Vorführhund es wohl besser weiß, und macht ihm alles ganz genau nach. Das Buch zeigte ein paar niedliche Abbildungen von Hunden, die Hebel betätigen.
B. hatte sich inzwischen neben mir auf dem Sofa niedergelassen.
«Schau mal», sagte ich zu ihr. «Ein Hunde-Experiment.»
Sie reagierte mit leisem Winseln.
Der Hauptteil des Buches, den ich nur überflog, legte dar, dass alle Hunde diverse angeborene Instinkte aufwiesen, die ihre menschlichen Bezugspersonen berücksichtigen sollten. Demnach waren Hunde Rudeltiere, die ganz genau wissen mussten, wer der Anführer ihres Rudels war. Wenn man sich einen Hund im Haus hielt, musste man dem Buch zufolge selbst Rudelführer sein und all das tun, was sich für einen Rudelführer gehört, weil der Hund andernfalls verwirrt und womöglich sogar depressiv wird. Im Klartext hieß das, man durfte seinen Hund nicht mit im Bett schlafen, nicht neben sich auf dem Sofa sitzen, nicht als Ersten durch die Tür gehen und nicht als Ersten fressen lassen. Solange dem Hund klar war, wer die Macht hatte, konnte man ihm alles beibringen, was man wollte, und er fühlte sich geborgen.
Ich fragte mich vor allem, was einen Hund wohl überhaupt dazu bewegen konnte, einen Hebel zu betätigen. In der Versuchsschilderung wurde nicht erwähnt, welche Art Belohnung es dafür gab. Vermutlich bekamen die Hunde für jede korrekt ausgeführte Handlung ein Leckerli. Im Geiste listete ich die Dinge auf, für die B. meiner Ansicht nach einen Hebel betätigen würde. Futter vor allem und früher einmal auch Sex. Bis ich sie sterilisieren ließ, war sie regelmäßig läufig geworden und hatte dann mit allem kopulieren wollen, was sich bewegte, und die ganze Nacht durchgejault. Aber sie würde sicher auch den Hebel eines Automaten betätigen, der Tennisbälle, Katzen, Korrekturfahnen oder Sonnenstrahlen ausspuckte. Oben im Schrank stand ein elektrischer Heizlüfter. B. war zwar nicht in der Lage gewesen, ihn mit der Pfote einzuschalten, hatte sich aber die größte Mühe gegeben – zumindest machte das den Eindruck. Ich war mir nie ganz sicher gewesen, ob sie tatsächlich versuchte, ihn selber einzuschalten, oder
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