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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Herd, keine Wäsche trocknete auf der Leine, und meine Friedenslilie verkümmerte langsam, aber sicher auf der sonnenlosen Fensterbank. Wenn das Sägemehl und Christopher nicht gewesen wären, hätte man meinen können, dass hier schon lange kein Mensch mehr wohnte und die früheren Bewohner verstorben waren.
    «Spazieren, mit Bess», erwiderte ich. «Das habe ich dir doch gesagt.»
    «Eine Stunde lang?» Er schüttelte den Kopf. «Und das, nachdem du mit so einer Saulaune rausgestürmt bist. Ich kapier wirklich nicht, warum du nicht einfach dableiben und drüber reden kannst, wenn es ein Problem gibt. Ich bin doch kein Ungeheuer. Wir haben übrigens nichts zum Essen im Haus, ich habe schon in alle Schränke geschaut. Und deine Mutter hat angerufen.»
    «Ich weiß gar nicht, wovon du redest. Ich bin doch nicht rausgestürmt.»
    «Sprich nicht in diesem Ton mit mir. Das bringt uns auch nicht weiter.»
    «Was denn für ein Ton?»
    «Genau der.»
    «Oh, in Gottes Namen!»
    Ich durchstöberte noch einmal die Schränke und fand eine Packung Vollkorn-Penne und ein Glas mit leicht eingetrübter Tomatensoße. Unsere wenigen Küchenschränke waren ständig voll mit Sachen, die man noch nicht wegschmeißen, aber auch nicht mehr essen konnte. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, die Schranktür zu- und das Soßenglas auf den Tisch zu knallen. Ich tat es aber trotzdem.
    «Also doch eine Saulaune», stellte Christopher fest. «Ich merke das doch immer …»
    «Falls du damit meinst, dass ich wütend bin, dann kann ich nur sagen: Ja, das bin ich. Jetzt. Ich habe das Haus völlig normal verlassen und bin innerhalb einer völlig normalen Zeitspanne zurückgekommen, und du brüllst mich an.» Ich füllte einen Topf mit Wasser und drehte Christopher dabei den Rücken zu. Er antwortete nicht, bis ich mich wieder zu ihm umdrehte.
    «Ich brülle doch gar nicht», sagte er.
    «Nein. Aber du weißt, was ich meine.»
    Er schaute zu Boden. «Immer sagst du, ich würde brüllen.»
    Ich schaute ebenfalls zu Boden, aber auf eine andere Stelle als er.
    «Stimmt. Das mache ich. Tut mir leid.»
    Mein Kopf war wie ein Fischernetz, in dem zu viele Gedanken herumzappelten. Mein hirnrissiger Vorschlag. Platsch. Die Tränen in Rowans Augen. Platsch. Libbys Schultertuch. Platsch. Die Unsterblichkeit in einem künstlich erzeugten Himmel. Mir traten wieder Tränen in die Augen, und ich spürte, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich stellte mir die Ewigkeit mit Christopher vor. Seit sieben Jahren wartete ich jetzt schon darauf, dass ich ihn endlich begriff, dass er irgendeinen Sinn für mich ergab – vielleicht klappte das ja irgendwann in der Ewigkeit. Vielleicht bekam in der Ewigkeit alles einen Sinn. Doch es würde kaum so bleiben, dafür war die Ewigkeit schließlich nicht da. Selbst in einem endlichen Universum bleibt ein Stein nicht immer nur ein Stein. Jedes einzelne Ding löst sich immerzu auf und verwandelt sich in etwas anderes. Und eigentlich freute ich mich sogar darauf, irgendwann, wenn ich schon lange tot und verwest war, ein Stein zu sein oder vielleicht eine Handvoll Sand. Das wäre so viel leichter, als aufzuerstehen und diesen ganzen Mist noch einmal durchzumachen. Immerhin bekäme ich in der Ewigkeit aber auch eine Nacht mit Rowan, was mir in diesem Leben ganz sicher nicht vergönnt sein würde. Aber wie alles in der Ewigkeit hätte natürlich auch das dann nichts mehr zu bedeuten.
    Das Wasser kochte, und ich setzte die Penne auf.
    «Tut mir leid», sagte ich noch einmal. «Du hast ja recht, ich bin ein bisschen durcheinander heute. Ich glaube, ich kriege Kopfschmerzen.»
    Die Nudeln hüpften im Topf herum wie kleine braune Papprollen; so stellte man sich den Inhalt einer Puppenhaus-Toilette vor. Im nächsten Moment ging mir durch den Kopf, dass wahrscheinlich nicht einmal die Bewohner von Puppenhäusern kleine Papprollen in einen Topf füllen und kochen würden. Ich blinzelte kurz und sah zu Christopher hinüber. Er schaute ebenfalls in Richtung Topf.
    «Was ist denn?», fragte er. «Ist irgendwas passiert?»
    «Nein. Nicht, dass ich wüsste. Das wird schon wieder. Ich nehme gleich eine Schmerztablette. Was hat meine Mutter denn gesagt?»
    «Sie meinte, sie ruft morgen wieder an. Dann hat sie einfach aufgelegt, wie immer.»
    «Aha.»
    Ohne ihn anzusehen, griff ich nach der Zeitung, die auf dem Tisch lag, und schlug das Kreuzworträtsel auf, das ich jeden Sonntag löste. Das von letzter Woche hatte ich fast ganz ausgefüllt, bis auf

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