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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Leben denn noch wert, wenn es immer nur um Sex geht, aber nicht um Fortpflanzung? Heißt das nicht, dass alles sinnlos ist, egal, was ich mache?»
    «Ich glaube, man kann auch etwas für die Menschheit tun, wenn man keine Kinder bekommt», wandte ich ein.
    «Aber doch wohl kaum, indem man sich die Wimpern tuscht, oder? Ich meine, was spielt es schon für eine Rolle, ob ich mir die Wimpern tusche oder nicht?» Libby seufzte wieder. «Spielt es irgendeine Rolle, ob ich gut aussehe? Der arme Bob. Es ist ja gar nicht so, dass er objektiv gesehen langweilig wäre oder so was; ich begehre ihn nur einfach nicht, und ich interessiere mich nicht für ihn. Ich bade ständig, nur um ihm aus dem Weg zu gehen. Neulich kam er ins Bad, als ich gerade in der Badewanne lag, eigentlich nur, um zu pinkeln. Aber dann wollte er dableiben und ein bisschen reden. Am Ende habe ich geheult und ihm gesagt, er soll verschwinden, ganz ohne Grund – einfach nur, weil ich es nicht schaffe, länger als zehn Minuten mit ihm im selben Raum zu sein, und weil ich gar nicht fassen konnte, dass er jetzt auch noch in meinen letzten Rückzugsort eindringt. Außerdem hatte ich keine Lust, so zu tun, als würde ich mich für den Comic interessieren, den er gerade gelesen hat, oder für den neuen Song, den er lernt. Habe ich dir erzählt, dass er neuerdings den Plan hat, wir könnten eine Band gründen? In einem guten Jahr will er auf Tour gehen – wir hatten ja darüber gesprochen, eine Zeit lang zu verreisen, und er findet, das wäre doch ein total guter Vorwand. Ich kann überhaupt nicht singen, aber er findet offenbar, ich könnte es. Er sagt, meine Stimme wäre ‹interessant›. Wir haben bisher zweimal geprobt, und jedes Mal habe ich mir so gewünscht, es wäre noch jemand mit dabei, sei es fast noch schlimmer ist, zu seiner Begleitung oder mit ihm zusammen zu singen, als wenn ich allein für mich singe.»
    «Klingt ganz schön schrecklich», sagte ich.
    «Ja. Und zu allem Überfluss musste ich auch noch weiterhin jeden Freitag weggehen, weil ich ja nicht einfach plötzlich sagen konnte: ‹Ach, übrigens, ich habe mit dem Lesekränzchen Schluss gemacht.› Ich bin dann immer nach Paignton gefahren und habe aufs Meer geschaut. Da haben Mark und ich uns das erste Mal geküsst. Als ich das zweite Mal da war, ist plötzlich Mark aufgetaucht. Wir haben kein Wort geredet. Wir sind einfach nur zu ihm gegangen und haben miteinander geschlafen. Ich habe geheult und ihm gesagt, das wäre jetzt unser Abschiedssex gewesen, anders könnte es gar nicht sein. Und er meinte, ihm sei es inzwischen egal, er würde alles nehmen, was ich ihm geben könne. Er wollte nicht mal mehr, dass ich Bob verlasse. Und ich dachte mir nur: ‹Warum ich?› Ich meine, Mark könnte doch sicher eine bessere Frau als mich finden, die nicht gebunden ist. So hat das alles wieder angefangen, und jetzt bin ich zwar nicht mehr depressiv, weiß aber auch nicht, was ich machen soll.»
    «Du musst Bob verlassen», hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen.
    «Ist das dein Ernst?»
    «Ja. Also, ich weiß nicht. Es ist natürlich deine Entscheidung. Ich hätte das nicht sagen sollen.»
    «Du hast schon recht. Ich muss ihn verlassen. Ich bin mir nur immer noch nicht sicher, ob ich das kann. Bob und ich haben so viel gemeinsam aufgebaut: das Haus, den Laden. Ihr hattet so was nie, Christopher und du. Für dich war es sicher leichter … Ach, Scheiße. Was rede ich denn da? Es ist niemals leicht, stimmt’s?»
    «Weißt du, Lib, ich denke seit etwa sechs Jahren darüber nach zu gehen und habe mir ständig eingeredet, dass ich das nicht kann. Ich habe mir eingeredet, ich hätte nicht genug Geld, ich könnte Christopher die Miete nicht allein bezahlen lassen, und wir würden das schon irgendwie hinkriegen. Du weißt ja, wir haben beide sehr viel aufgegeben, um zusammen sein zu können, und nach alldem konnte ich ihn doch nicht einfach mit leeren Händen dastehen lassen. Und natürlich konnte ich auch vor mir selbst nicht zugeben, dass es am Anfang eigentlich gar nicht darum ging, ob wir viel gemeinsam hatten oder das Leben miteinander teilen wollten. Ich wollte einfach nur mit ihm ins Bett, und ich habe es in Kauf genommen, dafür das Leben mehrerer Menschen ernstlich aus dem Gleis zu bringen. Wenn ich mir eingestanden hätte, wie es eigentlich war, wie hätte ich denn dann vor mir selber dagestanden? Es gibt immer tausend gute Gründe, sich nicht von jemandem zu trennen. Und viele

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