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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Glöckchen in der Nähe meist eine Miezekatze nach sich zog und dass rasche Schritte und das Rascheln von Umschlägen den Briefträger ankündigten. Sie war fast acht. In ein paar Jahren, mit Anfang vierzig, würde ich also endgültig allein sein: eine unglückliche alte Jungfer mit zahllosen Hobbys. Bis dahin hatte ich bestimmt hundert Paar Socken gestrickt, alle für mich allein. Was war nur los mit mir? Es musste doch mehr im Leben geben als das. Ich versuchte, an viele gute Romane zu denken, an interessante CDs und schöne Abendessen, und mir vorzustellen, dass B. ewig am Leben blieb. Aber es war schon zu spät. Mein Atem ging rasch und abgehackt, und ehe ich wusste, wie mir geschah, heulte ich bereits. Was war bloß los mit mir? Ich hatte meine Kolumne, ich hatte Freunde und sogar ansatzweise einen Plan für meinen neuen Roman. Ich hatte Geld und mein Cottage.
    Als ich wieder im Haus war, wollte ich eigentlich direkt ins Bett und die schlechten Gefühle wegschlafen. Doch als ich gerade die Treppe hinaufgegangen war, klingelte das Telefon. Es war Tim.
    «Hallo?», sagte er. «Meg?»
    Im Hintergrund hörte ich Wind und Regen.
    «Tim, wie geht’s dir?», fragte ich.
    «Heidi sagte, du hättest angerufen. War das wegen dem Buch?»
    «Oh … nein. Tut mir leid. Die Lektoratssitzung ist erst am Freitag. Ich melde mich, sobald ich etwas weiß. Es war nur … Es war nicht weiter wichtig. Ich hatte mich nur gefragt, ob du der Bestie bereits auf der Spur bist. Und wie es dir so geht.»
    «Es ist großartig hier draußen», sagte er. «Magisch.»
    «Und, hast du sie schon gesehen?»
    Ein gewaltiger Windstoß am anderen Ende der Leitung verschluckte meine Frage.
    «Wie bitte?», fragte Tim.
    Ich wiederholte die Frage und reimte mir aus seiner zerstückelten Antwort zusammen, dass er anscheinend alle zwei Tage mit seinem Zelt weiterzog, je nachdem, wo die Bestie gerade gesichtet worden war, und welche Spuren er selber fand. Aber die Bestie war ihm immer um einen Tag voraus. Wenn er an einen neuen Ort kam, stellte er zuerst sein Zelt auf. Dann suchte er sich ein Pub oder eine Pension, wo man ihm erzählte, man habe in der Nacht zuvor schreckliches Geheul gehört, und außerdem sei ein Kartoffelsack verschwunden – oder etwas Vergleichbares. Doch in der folgenden Nacht fanden sich dann nur ein paar Spuren und ein riesiger Kothaufen. Tim vermutete, dass die Bestie dem Verlauf des Dart folgte, hatte das aber bisher noch nicht bestätigen können.
    «Es gibt da auch Dinge, die keiner so richtig erzählen will», sagte er.
    «Zum Beispiel?»
    «In Dartmeet bin ich einer Frau begegnet, Margaret. Ich musste ihr schwören, dass ich keiner Menschenseele erzähle, was sie gesehen hat.»
    «Und was hat sie gesehen?»
    Tim schwieg kurz. «Die Bestie. Bei sich im Schlafzimmer. Schlag Mitternacht.»
    «Im Ernst?»
    «Sie hat ganz leise gehechelt. Stand einfach nur hechelnd da und hat Margaret beim Schlafen zugesehen. Alle Türen waren verschlossen, und es stand auch kein Fenster offen. Ich habe mir alles genau notiert.»
    Wieder fegte bei ihm ein Windstoß heran, und die Verbindung war für eine Sekunde unterbrochen.
    «Was willst du denn tun, wenn du die Bestie findest?», fragte ich, als ich Tim wieder hörte.
    «Ich habe ein Gewehr dabei», antwortete er. «Mein bester Kumpel ist Bauer, der hat es mir geliehen, aber das darfst du keinem verraten. Eigentlich will ich die Bestie ja auch gar nicht erschießen. Ich will nur wissen, was sie eigentlich ist. Aber sicher ist sicher.»
    «Mir ist nur nicht mehr ganz klar, wie dich das alles mit dem Buch voranbringen soll», sagte ich.
    «Wie meinst du das?»
    «Na ja, im Buch wird die Bestie am Ende doch nicht echt sein.»
    «Wieso nicht?»
    «Weil das nun mal die Zeb-Ross-Vorgaben sind. Wir haben das doch alles besprochen. Und es steht in deinem Exposé.»
    «Klar, aber wenn sie letztlich doch echt ist, wird das Buch doch viel besser, oder? Vorausgesetzt, ich kann es beweisen.»
    «Nicht, wenn es ein Roman werden soll. Und vor allem nicht, wenn es ein Zeb-Ross-Roman werden soll. Vergiss nicht, die Bücher müssen dahingehend realistisch sein, dass jedes Geheimnis sich am Ende rational erklären lässt und nur scheinbar übersinnlich war.»
    «Und wenn aber gerade das nicht realistisch ist?»
    «Dann musst du eine philosophische Abhandlung darüber schreiben oder so etwas. Die Zeb-Ross-Romane sind jedenfalls nicht der richtige Ort, um das wahre Wesen des Realen in Frage zu stellen. Sie

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