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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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der mit dem Bauern Hähnchen isst. Doch als der Bauer eintrifft, erschießt er den Kojoten natürlich. Das ist zwar nicht direkt eine Geschichte ohne Geschichte. Im Gegenteil, sie ist als Erzählung durchaus konventionell, inklusive aller möglichen Wendungen (der Kojote wird vom Freien zum Gefangenen, der Hase vom Ausgetricksten zum Trickster und so weiter), mit denen man sich nur deshalb zufrieden gibt, weil der Hase als der Schwache und Schlaue dem starken, aber stumpfsinnigen Kojoten moralisch überlegen bleibt. Im wahren Leben siegen allerdings meistens Stärke und Stumpfsinn, und Hasen können auch nicht sprechen.
    Libby war ganz rot geworden und schaute auf die Tischplatte.
    «Ach, Mist», sagte sie. «Jetzt habe ich ganz vergessen, dir wegen Rosa mein Beileid zu sagen. Das tut mir so leid, Meg. Ich weiß, du mochtest sie eigentlich nicht mehr besonders, aber sie ist doch deine älteste Freundin gewesen, nicht? Was bin ich nur für eine egoistische, egomane Kuh! Ich hab’s einfach vergessen.»
    «Schon gut», beruhigte ich sie. «Du hast ja recht. Ich mochte sie tatsächlich nicht mehr besonders.»
    «Aber du bist jetzt nicht froh, dass sie tot ist?»
    «Nein. Natürlich nicht.»
    Schweigend leerten wir unsere Gläser, und als Andrew das nächste Mal herüberkam, bestand ich darauf, für uns beide zu zahlen. Libby nahm die Kiste mit dem Rhabarber unter den Arm.
    «Du brauchst keine Marmelade davon zu kochen», sagte sie. «Das sollte nur ein Witz sein.»
    «Doch, ich koche welche. Ich habe Lust dazu.»
    «Mir ist das alles so schrecklich peinlich. Zeigst du mir jetzt dein Haus?»
    ***
    Als Libby gegangen war, wurde es draußen dunkel, und Regen setzte ein. Ich kuschelte mich vor dem Kamin aufs Sofa, strickte noch ein Stück an meiner Socke weiter und lauschte dabei dem Zischen und Spucken der Holzscheite und dem trägen Rauschen des Meeres. Jetzt, wo ich mich schon ein wenig ans Sockenstricken gewöhnt hatte, konnte ich auch wieder anfangen, dabei über andere Dinge nachzudenken, und so nieselten meine Gedanken mit dem Regen dahin. Irgendwann stellte ich mir vor, mit Rowan zusammen zu sein, und plötzlich entstanden Farben in meinem Kopf wie ein unvermuteter Regenbogen. Ich stellte mir vor, mit ihm am Strand entlangzugehen und ihn dazu zu bringen, dass er mir versprach – es mir bei seinem Leben schwor –, mich zu verlassen, sobald er mich nicht mehr liebte. Nicht ein Jahr oder sieben Jahre oder gar dreißig Jahre danach, sondern genau in dem Moment, wo es passierte. Aber eigentlich konnte ich mir gar nicht richtig vorstellen, mit ihm am Strand entlangzugehen. Ich konnte mir ja nicht einmal vorstellen, hier in meinem Cottage einen Tee mit ihm zu trinken. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir jemals zusammen mit dem Zug fahren oder nacheinander den Literaturteil der Zeitung lesen würden – oder dass er mit B. Gassi ging, wenn ich Kopfschmerzen hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, irgendwann einmal in meinem Portemonnaie nach einem Fünfzig-Pence-Stück oder anderem Kleingeld zu kramen und ihn automatisch in seiner Tasche oder seiner Brieftasche suchen zu sehen, wenn ich keines fand. Bevor er aufhören konnte, mich zu lieben, musste er erst einmal damit anfangen. Der Regenbogen brauchte einen Anfang und ein Ende, und beides war gleichermaßen unvorstellbar.
    Der dunkle Tag wurde nicht mehr heller, und gegen vier machte ich mich mit B. zu einem Strandspaziergang auf. An der Gezeitenlinie sammelte sich knallig roter Tang wie aufgekratzter Schorf. B. entdeckte ein ziemlich mitgenommenes Stück Treibholz und brachte es mir. Dann duckte sie sich vor mir, das Hinterteil in der Luft, und wedelte eifrig mit dem Schwanz. Das hieß so viel wie: «Los, wirf mir das Stöckchen.» Ich dachte darüber nach, auf wie viele verschiedene subtile Weisen wir miteinander kommunizierten. Ich kannte all ihre Codezeichen: «Ich habe Hunger», «Ich habe Durst», «Ich will spielen», «Ich habe keine Lust zum Spielen» und noch vieles mehr. Sie wusste, dass Einkaufstüten häufig Leckerli enthielten, und steckte den Kopf folglich in jede Einkaufstüte, die ihr begegnete. Sie wusste, dass ein Bad dem jährlichen Besuch beim Tierarzt vorausging, einem Franzosen, der sie mit Hundekuchen fütterte und dann mit den Worten «Dann wollen wir doch mal sehen, ob du bewohnt bist» ihr Fell untersuchte und sie anschließend impfte. Sie wusste, dass große Pappkartons einen Umzug ankündigten. Und sie wusste, dass ein bimmelndes

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