Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
war, signalisierte ich Josh, ich käme gleich zurück, unterbrach die Verbindung zur Mailbox und nahm den Anruf entgegen.
    «Hallo?», sagte ich, während ich nach draußen eilte.
    «Mein Gott, Meg. Ein Glück, dass ich dich endlich erreiche. Hast du einen Wagen und eine Taschenlampe?»
    «Tim? Hallo? Was ist denn passiert? Du klingst ja …»
    «Die Bestie. Sie hat Kelsey Newman gefressen.»
    «Was? Tim? Was redest du da?»
    «Die Bestie hat Kelsey Newman gefressen. Ich habe versucht, auf sie zu schießen, aber das hat nicht geklappt. Hier sind zwei Leute, die behaupten, dich zu kennen. Kannst du herkommen? Hast du einen Wagen und eine Taschenlampe?»
    «Wohin denn?»
    «Nach Longmarsh. Das ist am Fluss …»
    «Ich weiß, wo Longmarsh ist. Wo ist denn die Bestie jetzt?»
    «Weggeschwommen.»
    «Bist du sicher?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Aber warum rufst du mich an? Ich verstehe gar nicht …»
    «Diese Leute. Die …»
    Im Hintergrund hörte man es rascheln, dann wurde das Handy offenbar weitergereicht.
    «Meg? Hier ist Vi.»
    «Vi. Was ist denn passiert?»
    «Ich habe keinen blassen Schimmer.»
    «Hat die Bestie tatsächlich …?»
    «Keine Ahnung. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es überhaupt eine Bestie gibt. Aber Kelsey ist jedenfalls verschwunden, und ich mache mir Sorgen um ihn. Es ist so dunkel hier, dass man überhaupt nichts sehen kann. Bist du mit dem Auto unterwegs? Und hast du eine Taschenlampe?»
    «Ja.»
    «Könntest du herkommen? Ich glaube nicht, dass es gefährlich ist. Aber falls du das anders siehst, können wir dann auch gleich wieder fahren.»
    «Was ist mit Tim?»
    «Der ist in keiner besonders guten Verfassung. Wir müssen ihn dringend hier wegbringen.»
    «Ist gut.»
    «Alles Weitere erkläre ich dir, wenn du hier bist.»
    Ich legte auf. Josh war nach draußen gekommen, um nach mir zu sehen.
    «Was ist denn?», fragte er.
    «Ich weiß es nicht. Es ist etwas sehr Eigenartiges passiert.»
    «Ist was mit Dad? Oder …» Er fing an zu zucken, und ich fragte mich, was er wohl zählte.
    «Nein», erwiderte ich rasch. «Es geht um Kelsey Newman. Ich sage dir jetzt lieber nicht, was passiert ist, weil ich glaube, dass dir das nicht guttut, und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es wirklich passiert ist. Jedenfalls muss ich weg. Vi und Frank sind dort, zusammen mit einem Orb-Books-Autor. Du gehst am besten wieder heim. Es wird keinen Vortrag geben.»
    «Ich würde lieber mitkommen.»
    «Dafür ist nicht genug Platz im Wagen. Ich muss mindestens drei Leute mit zurückbringen.»
    «Na gut», meinte Josh. «Dann danke ich dir, dass du mit mir essen warst.»
    «Und ich danke dir für die Einladung.» Ich wandte mich ab.
    «Nutz deine Zauberkräfte», sagte er. «Ich meine, nutz sie, um die Katastrophe abzuwenden. Und um dich zu schützen, falls das nötig ist.»
    Ich musste an Ruprecht denken, der mir damals im Wald erklärt hatte, jeder Zauber habe Konsequenzen.
    «Gezaubert wird nicht», entgegnete ich. «Aber mach dir keine Sorgen. Mir passiert schon nichts.»
    ***
    Hinter den Hügeln stieg der fast runde Vollmond empor. Groß, weiß und betörend sah er aus, wie der Eingang eines Tunnels, der aus dem Universum hinausführte. Ich fuhr am Baltic Wharf vorbei bis zum Parkplatz vor Longmarsh. In Totnes wurde der Dart zum offiziellen Schifffahrtsweg, und obwohl sich der Betrieb auf dem Fluss inzwischen hauptsächlich auf Fähren und Vergnügungsfahrten für Touristen beschränkte, hatten mehrere hundert Jahre lang auch Handelsschiffe zwischen Totnes und Dartmouth verkehrt. Ich stellte mir vor, ein Schiff zu besteigen und damit Richtung Heimat zu segeln. Ich würde Longmarsh am linken Flussufer und St. Peter’s Quay am rechten passieren und Totnes samt dem Kirchturm von St. Mary hinter mir lassen. Ich würde an dem Baum vorbeikommen, in den der Blitz eingeschlagen hatte und der nun zahllosen Kormoranen als Nistplatz diente, und an dem skelettähnlichen Wrack eines beschlagnahmten Lazarettschiffs aus dem Ersten Weltkrieg. Ich würde Flussabschnitte durchfahren, die so breit waren wie Seen und von feuchten, grünen, ruinengekrönten Hügeln umgrenzt wurden. Ich würde die älteste Eibe Großbritanniens passieren und jenes Bootshaus, das Agatha Christie und Max Mallowan bewohnt hatten, als es in Greenway im Zweiten Weltkrieg von amerikanischen Truppen nur so wimmelte. Ich würde an Long Wood, der Strecke der Dampflok, am Marine-College und an der Anlegestelle der Higher Ferry vorbeigleiten und

Weitere Kostenlose Bücher