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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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dann an der Burg von Dartmouth und der künstlichen Ruine von Kingswear vorbei weiter Richtung Meer segeln. Ich würde die Küste umschiffen, bis ich Torcross erreichte, und dann würde ich ein Feuer im Kamin machen und mich bis zum Morgen mit B. zusammenrollen. Doch all das tat ich nicht. Stattdessen war ich im Begriff, allein im Dunkeln aus dem Wagen zu steigen.
    Als ich noch in Totnes wohnte, war ich häufig mit B. in Longmarsh spazieren gegangen, doch wenn es dunkel war, wollte sie nie dorthin und ich genauso wenig. Ich glaubte zwar nicht an Gespenster, doch irgendwie hatte man immer das Gefühl, als würde es dort spuken, als wäre die Luft erfüllt von gekenterten Geistern, passend zu den gekenterten Wracks auf dem Grund des Flusses. Das Mondlicht machte es auch nicht besser. Es verlieh allem einen silbrigen Schimmer, wie nicht von dieser Welt, und seine Schatten wirkten irgendwie verkehrt, als entstammten sie einer Parallelwelt. Knapp hundert Meter weit war der Pfad noch von schummrigen Straßenlaternen gesäumt, doch dahinter war es finster. Vom Wagen aus konnte ich nicht viel erkennen. Weder Vi noch Frank noch Kelsey Newman, Tim oder die Bestie waren irgendwo zu sehen. Ich musste aussteigen. Ich zwang mich, an ein Buch zu denken, das ich als Kind gelesen hatte. Darin taucht ein Tiger im Vorstadthäuschen einer Familie auf. Die Mutter verfüttert sämtliche Lebensmittel im Haus an den Tiger, sodass die Familie abends auswärts essen gehen muss. Danach hält die Mutter immer eine Dose mit Tigerfutter vorrätig. Die im Buch abgebildete Dose war beeindruckend, um einiges größer als die Döschen, deren Inhalt die Katzen der Coopers zu fressen bekamen. Ich bekniete meine Mutter, auch etwas Tigerfutter in unseren Küchenschrank zu stellen, nur für den Fall; doch sie erklärte mir, so etwas gäbe es in Wirklichkeit gar nicht. Die Vorstadt erstickte alle Möglichkeiten im Keim, und so beschloss ich, mir vorzustellen, dass ich genau dort zu einem Spaziergang aufbrach: an einem Ort, wo man Tiger dazu bringen konnte, sich ordentlich an den Tisch zu setzen, und alle übrigen Monster wahrscheinlich Melonen auf dem Kopf trugen.
    Mit der Taschenlampe in der Hand stieg ich aus dem Wagen. Ich hustete, und das Echo kam zu mir zurück.
    «Hallo?», rief ich. «Vi?»
    Nichts. Ich durchquerte ein Tor und ging einen Pfad entlang, während neben mir der schwarze Fluss dahinrauschte. «Es ist alles gut», flüsterte ich hörbar vor mich hin, um den hohlen Widerhall meiner Schritte zu übertönen. «Siehst du, da ist die Wiese, wo du vor wer weiß wie vielen Sommern mit Josh Fußball gespielt hast. Sieht ja seltsam aus im Dunkeln.» Ich stampfte absichtlich laut auf und redete dabei weiter ins Dunkel hinein. Manchmal erhob ich die Stimme: «Hallo? Vi?» Nichts. «Gut. Dann stellen wir uns jetzt mal vor, du bist ein Eremit der Stufe Achtunddreißig. Du hast magische Kräfte. Klasse. Also. Denk mal an alle Filme und alle Bücher zurück, die du kennst und in denen Magie vorkommt.» Ich schnippte mit den Fingern. «Jetzt bist du in Sicherheit. Selten so gelacht. Na, wie auch immer.» Dann rief ich: «Frank? Tim?» Nachdem ich etwa fünfzig Meter weit gekommen und mir noch nichts Schreckliches zugestoßen war, hörte ich auf, laut vor mich hin zu flüstern, und erzählte mir stattdessen im Kopf fröhliche Dinge. Es wurde immer finsterer auf dem Weg, und ich musste mich ganz auf meine Taschenlampe verlassen, um zu wissen, wo ich hintrat. Ich sagte mir, die Dunkelheit habe etwas von einem Mutterleib und eigentlich sei es doch besser, nicht so viel zu sehen, denn in einer Finsternis wie dieser konnte es ja durchaus sein, dass auf der Wiese nebenan lauter kopflose Dämonen tanzten, ohne dass ich etwas davon mitbekam. Ich musste an einen Orb-Books-Workshop zurückdenken, bei dem wir uns wirkungsvolle Wege überlegt hatten, Angst zu schildern, ohne dafür platte Phrasen im Stil von «Das Herz schlug ihr bis zum Hals» oder «Er glaubte, sein Schädel müsse gleich platzen» zu verwenden. Das, was mein Körper gerade veranstaltete, hatte allerdings noch keiner beschrieben. Schließlich murmelte ich doch wieder im Gehen vor mich hin: «Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße.» Ich wusste, dass es eigentlich nichts gab, wovor ich mich fürchten musste. Aber gleichzeitig bekam ich Tims Stimme nicht aus dem Kopf, in der ein Anflug von Wahnsinn mitgeschwungen hatte: Die Bestie hat Kelsey Newman gefressen . Es gab immerhin Menschen, die

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