Das Ende der Geschichten (German Edition)
Caleb.
«Aha.» Josh wirkte sichtlich interessiert.
«Und als ich jetzt in London war, stieß ich in einer Zeitung auf die Schlagzeile: Rosa Cooper noch am Leben? Ich konnte es gar nicht glauben. Anscheinend wurde in Hertfordshire eine Frau gesichtet, die genauso aussieht wie Rosa. Und in dem Traum hat sie mir erzählt, sie sei jetzt in Hertfordshire. Als dann der Evening Standard erschien, hatten sie anhand der Zahnanalyse bereits zweifelsfrei bewiesen, dass die Tote tatsächlich Rosa war. Aber einen Moment lang dachte ich doch, mein Traum wäre Wirklichkeit geworden. Jeder glaubt doch irgendwie an Telepathie und solche Sachen. Selbst ich. Ich bin mir zwar nicht sicher, dass sich das durch irgendwelche aufwendigen Theorien erklären lässt, aber …»
«Du solltest die Zeitungsberichte weiterverfolgen», unterbrach mich Josh. «Ich würde sonst was wetten, dass sie bald quicklebendig wiederauftaucht, so, wie du es geträumt hast. Ich bin ohnehin überzeugt, dass du eine Hohepriesterin der Stufe Vierzig bist. Vielleicht auch ein Eremit der Stufe Achtunddreißig, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Auf jeden Fall müsstest du aber über irgendwelche telepathischen Fähigkeiten und Heilkräfte verfügen und Zugriff auf ganz schön wirksame Zauberkräfte haben.»
«Du meine Güte. Und die Zahlen verlaufen wie …?»
«Absteigend bis Eins. Das wäre dann der Archetyp.»
«Und was bist du?»
«Das weiß ich nicht genau. Ich bin mir sicher, ob ich irgendeine Art von Narr oder Trickster bin. Ich habe selbst keine eigenen Kräfte, kann aber die wahrnehmen, die mich umgeben. Was das bedeutet, weiß ich selber nicht. Ich glaube, ich befinde mich irgendwo zwischen Stufe Fünfzig und Hundert. Wahrscheinlich ist es eine gerade Zahl. Das ist gar nicht schlecht. Aber du bist besser. Du bist eine Seherin, und wie ich schon sagte, ich würde alles darauf verwetten, dass sich dein Traum noch als wahr herausstellt.»
«Aber ich will doch gar nicht, dass er wahr ist», sagte ich. «Ich meine, natürlich will ich auch nicht, dass sie tot ist. Ich will nur vor allem keine seherischen Fähigkeiten haben. Irgendein Teil von mir würde schon gern daran glauben, dass solche Dinge möglich sind, aber ich will selbst keine ‹besonderen Fähigkeiten›.»
«Die meisten anderen Leute schon.»
«Die meisten anderen Leute wollen auch Millionäre werden, und wenn sie es dann geschafft haben, sind sie unglücklich, weil sie nichts anderes mehr mit sich anzufangen wissen, als Geld auszugeben.»
«Jung meint, dass jeder heimlich an Zauberei und Übersinnliches glaubt. Ihm zufolge behaupten in der Öffentlichkeit alle, sie würden an so etwas nicht glauben, aber insgeheim tun sie es doch.»
«Vielleicht stimmt das ja.» Ich zuckte die Achseln, als hätte ich keine Meinung dazu.
Als wir gezahlt hatten, war es bereits fünf vor sieben. Wir beeilten uns, aus dem Rumour hinauszukommen, und hasteten zum Birdwood House. Ich überlegte, was ich zu Vi sagen sollte. Ob ein schlichtes «Tut mir leid» wohl genügte? Vielleicht hatten wir uns ja bereits über unsere Zeitungsartikel beieinander entschuldigt. In dem langen, schmalen Saal standen etwa fünfzig Stühle, von denen gut ein Drittel besetzt war. Vi konnte ich allerdings nirgends entdecken.
«Sagtest du nicht, Vi würde kommen?», fragte ich Josh.
«Hat sie zumindest gesagt. Frank und sie haben sich extra ein Zimmer in dieser biologisch-vegetarischen Pension oben an der Cistern Street genommen, um heute Abend hierherzukommen und noch ein bisschen Zeit in Totnes zu verbringen. Sie müssen gestern angekommen sein. Du weißt ja sicher, dass sie offiziell in Devon ist, um morgen das Labyrinth zu eröffnen? Sie wollen mit einer River-Link-Fähre nach Dartmouth fahren. Ich glaube, Dad und ich machen das auch, allerdings ein bisschen später. Vi meinte, sie will früh hin, um das Labyrinth erst mal auszuprobieren.»
«Ja, das mit dem Labyrinth wusste ich. Aber dann frage ich mich doch, wo sie sind.»
«Kelsey Newman ist auch nicht da.»
«Na ja, es ist ja auch erst …» Ich zog mein Handy aus der Handtasche, um zu sehen, wie spät es war. «Oh, eine Minute nach sieben. Mein Gott, was ist das denn? Elf Anrufe in Abwesenheit. Wer …?» Ich murmelte weiter vor mich hin, während ich die Durchwahl für die Mailbox suchte. Gerade als ich Tims Stimme auf der Mailbox erkannte, vibrierte das Handy erneut. Wahrscheinlich hatte er das mit seinem Buch gehört. Da von Newman noch nichts zu sehen
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