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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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diese Bestie schon gesehen hatten; selbst die Nachrichten hatten darüber berichtet. Aber es konnte doch kein vernünftiger Mensch an so etwas glauben.
    Nach einer guten Minute kam plötzlich ein riesiger Schatten auf mich zu, und ich fuhr zusammen.
    «Meg?»
    «Großer Gott! Frank? Ich sehe dich ja kaum. Du bist nur ein Umriss.»
    «Entschuldige. Ich wollte dich am Parkplatz abholen.»
    «Wo ist Vi?»
    «Da drüben auf der Bank, mit Tim. Er ist fix und fertig. Wir müssen ihn zurück nach Totnes bringen. Alles klar mit dir?»
    «So in etwa. Es ist ein bisschen unheimlich hier draußen.»
    «Ja, ein bisschen.»
    «Dann gibt es also keine Bestie?»
    «Ich denke nicht. Zumindest jetzt nicht mehr.»
    «Und was ist mit Kelsey Newman?»
    «Keine Ahnung. Komm mit.»
    Wir gingen weiter den Pfad entlang, bis er endete. Dahinter erstreckte sich eine Grasfläche mit einem Picknicktisch, der tagsüber sicher einen schönen Blick flussabwärts bot. Jetzt allerdings erkannte man nur zwei Schatten, die am Tisch saßen. Anscheinend sahen sie uns näher kommen, denn der eine Schatten erhob sich. Es war Vi. Sie kam mir entgegen und umarmte mich. Hinter der Bank schwappte das Wasser dunkel ans Ufer. Um auf dieser Seite des Flusses weiter voranzukommen, musste man eine Zeit lang durch seichtes Wasser waten. Am anderen Ufer gab es einen Weg, der bis nach Cornworthy weiterführte.
    «Eine Taschenlampe!», rief Vi. «Großartig! Also gut, Tim. Jetzt mal heraus mit der Sprache. Was ist wirklich mit Kelsey Newman passiert?»
    Im Schein der Taschenlampe sah ich, dass Tim in eine Decke gewickelt auf der Bank saß und zitterte. Sein großer Rucksack stand als dunkler Umriss neben ihm. Etwas Kochtopf- und etwas Wasserkesselförmiges waren außen daran befestigt. Tim schwieg.
    «Tim?», sagte ich zu ihm. «Was ist passiert?»
    «Ihr glaubt, dass ich spinne», erwiderte er. «Vielleicht glaube ich ja selber, dass ich spinne. Vielleicht waren es ja die Pilze. Vielleicht war Kelsey Newman gar nicht hier.»
    «Er muss hier gewesen sein», sagte Vi. «Wir waren heute Nachmittag mit ihm Tee trinken, da meinte er, er würde anschließend hierherfahren. Wir haben ihn noch aufbrechen sehen.»
    «Und was macht ihr hier?», fragte ich Vi.
    «Eigentlich ist dieses Gedicht von Alice Oswald an allem schuld», erwiderte Frank. «Wir wollten so viel wie möglich vom Dart gesehen haben. Vi hatte die Hoffnung, auf etwas zu stoßen, das sie in ihrer Rede verwenden kann.»
    «Kelsey sagte, er wolle auch hierher, aber es war mehr als offensichtlich, dass er keinen Wert auf Begleitung legte», erklärte Vi. «Er hatte eine große Tasche dabei und einen Fotoapparat. Er meinte, er habe einen Interviewtermin mit Tim, also haben wir ihn sich selbst überlassen. Wir haben noch ein bisschen Kuchen gegessen, dann waren wir einkaufen und sind schließlich bis hierher gewandert. Kelsey haben wir nicht mehr gesehen, seit er das Café verlassen hat.»
    «Tim?», fragte ich.
    «Ich habe dir doch schon gesagt, dass die Bestie ihn gefressen hat. Das habe ich euch allen gesagt. Wenn ihr mir nicht glauben wollt, ist das eure Sache. Mir ist schlecht. Alles, was ich sage, klingt sowieso völlig durchgeknallt, also halte ich am besten einfach den Mund.»
    «Ich habe vorhin einen Schuss gehört», sagte ich. «Warst du das?»
    Tim nickte.
    «Du hast aber nicht Kelsey Newman erschossen?», hakte ich nach.
    «Wieso sollte ich das denn tun? Er wollte mich in seine Anthologie bringen. Wir waren schon fast durch mit dem Interview. Außerdem habe ich noch nie jemanden erschossen.»
    «Sollen wir nach Kelsey suchen?», fragte ich Vi.
    Sie wechselte einen Blick mit Frank. «Ja, ich glaube schon.»
    «Ich kann ja nicht mal genau erklären, was passiert ist», sagte Tim, während ich den Strahl meiner Taschenlampe hinter ihm herumwandern ließ und dann begann, in die Sträucher und dahinter zu leuchten. «Aber sie ist gewachsen. Erst war die Bestie doppelt so groß wie ein Schäferhund, dann war sie plötzlich fast so groß wie ein Haus. Ich habe sie heute überhaupt zum ersten Mal gesehen. Aber ich hatte recht: Sie ist dem Flussverlauf gefolgt. Als ich hier ankam, wusste ich gleich, dass die Bestie hier gewesen sein muss, doch ich dachte, sie wäre schon wieder weiter flussabwärts gezogen. Jedenfalls war ich gerade dabei, Kelsey Newman von meinem bisherigen Abenteuer zu erzählen. Er wollte von mir wissen, wofür die Bestie bei mir steht, was ich überwinden will. Ich habe ihm gesagt, die

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