Das Ende der Geschichten (German Edition)
sagte ich.
Ich saß mit Vi und Frank im Wagen. Wir hatten Tim in ihre Pension gebracht und dafür gesorgt, dass er ihr Zimmer übernehmen konnte. Der Wirtin hatten wir gar nicht viel erzählt, nur, dass Tim sich recht angeschlagen fühle und am nächsten Morgen vielleicht einen Arzt aufsuchen solle. Wir bezahlten die Rechnung, dann fuhr ich über die Lanes ans Meer zurück. Vi und Frank sollten bei mir im Seashell Cottage übernachten. Das schien uns allen das Vernünftigste.
Auf der Fahrt erzählte mir Vi etwas genauer, was am Nachmittag geschehen war. Sie und Frank hatten sich mit Kelsey Newman in einem Café am Fluss zum Tee getroffen. Vi wollte ihn sich wegen des Zitats noch einmal richtig zur Brust nehmen und ihm außerdem klarmachen, was an seinen Theorien alles falsch war. Doch als sie ihm erzählt hatte, wie sehr das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden war, hatte er sofort seinen BlackBerry gezückt und seinen Verleger angerufen, damit der das änderte. Nach einem endlosen Telefonat hatte er sich entschuldigt und darauf bestanden, den Tee zu bezahlen.
«Im Grunde war er ganz in Ordnung», erzählte Vi, während wir die Lanes entlangfuhren. «Er hat sich hundert Mal entschuldigt wegen des Zitats. Ich glaube, es war ihm richtig peinlich.»
«Glaubst du, es geht ihm gut?», fragte ich. «Sollten wir nicht vielleicht ein paar Krankenhäuser abtelefonieren?»
«Ich weiß es nicht», antwortete Vi. «Wir kennen ihn ja kaum. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht in Longmarsh war, als wir dorthin kamen. Warum Tim so eine lebhafte Halluzination hatte, kann ich allerdings auch nicht sagen. Armer Kerl. Sag mal …» Sie wandte sich an mich. «Warum warst du eigentlich so sauer auf ihn?»
«Keine Ahnung», sagte ich. «Ich weiß schon, das war nicht richtig. Wahrscheinlich habe ich durch die Dunkelheit einfach ein bisschen die Nerven verloren. Und diese Geschichte, dass die Bestie Kelsey Newman gefressen hat, war einfach so furchtbar unnötig.»
«Hast du ihm geglaubt?», fragte Frank.
«Nein, natürlich nicht», antwortete ich.
«Wieso hattest du denn dann Angst?»
«Ich fand das auch verstörend», sagte Vi. «Aber irgendwie muss man doch auch Mitleid mit ihm haben. Offensichtlich hat er schon seit einiger Zeit nichts Richtiges mehr gegessen. Wahrscheinlich hätte ich ihn auch überhaupt nicht angesprochen, wenn ich nicht die Schere gesehen hätte.»
«Was denn für eine Schere?»
«Eine Orb-Books-Schere. Claudia hat die auch. Du etwa nicht? Er hat damit Papier zerschnitten und die Schnipsel in den Dart geworfen. Er meinte, es wäre so eine Art Antrag. Erst dachte ich, er meint vielleicht einen Heiratsantrag, und habe mich schon gewundert, dass er den schriftlich macht. Aber dann sagte er, es wäre der Antrag für ein Buchprojekt, und da wurde mir alles klar.»
«Jetzt verstehe ich. Er muss wohl gehört haben, dass es abgelehnt wurde.»
«Er sagte, wegen diesem Projekt wäre alles in seinem Leben schiefgegangen. Anscheinend glaubte er, wenn er alles beseitigt, was er über die Bestie geschrieben hat, würde das auch die echte Bestie beseitigen. Jedenfalls war es schon fast dunkel, nachdem er uns erzählt hatte, was seiner Ansicht nach passiert ist, und es war völlig klar, dass wir uns überzeugen mussten, ob Kelsey nicht irgendwo verletzt im Gebüsch liegt, und wir Tim irgendwie zurück nach Totnes bringen sollten. Ich hoffe, es war nicht schlimm, dass wir ihm gesagt haben, er soll dich anrufen … Wir hatten unsere Handys nicht dabei.»
«Nein. Es ist so schön, euch beide wiederzusehen. Außerdem tut es vor allem mir leid. Ich habe Tim ja schließlich dazu ermutigt, sich überhaupt mit all diesem Kram zu beschäftigen. Und vielleicht hat er ja sogar recht. Vielleicht hat seine Version der Bestie gar nicht existiert, bis er angefangen hat, darüber zu schreiben. Vielleicht musste er das irgendwie aus sich herauskriegen.» Ich schaltete in den zweiten Gang, um eine scharfe Kurve zu nehmen, die steil bergauf ging. Der Mond war immer kleiner geworden, je höher er stieg, und sah jetzt wieder ganz normal aus. «Glaubt ihr, diese Bestie ist echt?», fragte ich.
«Ich glaube schon, dass da irgendetwas ist», antwortete Frank. «Aber ich glaube nicht, dass es Kelsey Newman gefressen hat.»
«Ich habe sie sogar gesehen», sagte Vi. «Oder zumindest das, was hinter ihr stecken muss. Es war ein Hund – ziemlich groß und schwarz, wie eine viel größere Ausgabe von Bess. Aber trotzdem nur
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