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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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neben dem Hundesalon lag der Wahrsagerladen von Madame Verity. Der Wind war stärker geworden, dünne Wolken jagten über den Himmel wie aus einem Wolkenspender gezogen. Während ich noch auf die Fähre wartete, die mich über den Fluss nach Dartmouth zurückbringen sollte, bekam ich eine SMS von Libby: Polizei hat Auto-Story sofort geglaubt + Bob auch! Kommst du nächste Woche Sa zum Abendessen? Mark kommt auch!!! Aargh! Drink Fr Abend?
    Ich stellte meinen Wagen direkt vor Regs Haus ins Parkverbot; die gelbe Linie war bereits so abgeschabt, dass man sie ohnehin kaum noch erkennen konnte. Als ich die Stufen hinaufstieg, kam ich ziemlich außer Puste. Vielleicht sollte ich ja Eisentabletten nehmen oder mehr grünes Gemüse essen? Meine Mutter glaubte fest an die Heilkraft des Eisens. Wann immer man sich krank fühlte, erklärte sie das grundsätzlich mit leichter Blutarmut. Oder vielleicht sollte ich mir ein Glas Manuka-Honig kaufen. Als ich die Haustür öffnete, wartete B. schon auf mich, umgeben von zerfetzten Korrekturfahnen. Das kam montags eher selten vor. Ich war zwar alles andere als berühmt, aber immerhin noch nicht tot und hatte vor nicht allzu langer Zeit Bücher publiziert, und so schickte man mir häufig die Fahnen neuer Science-Fiction-Romane von jungen Autorinnen zu, samt einem Formbrief mit der Bitte um einen Werbespruch fürs Cover. B. fraß sie alle auf. Genauer gesagt, sie zerkaute sie und spuckte sie anschließend wieder aus. Seit das einmal auch mit einem Buch passiert war, das Oscar mir zum Rezensieren geschickt hatte, ließ ich mir alle wichtigen Sendungen an ein Postfach in Totnes schicken, wo Christopher sie auf dem Heimweg von seinem Bauprojekt abholte. Oscars Tirade, einer Schriftstellerin wie mir könnte ja wohl eine bessere Ausrede einfallen als «Der Hund hat’s gefressen», gehörte zu seinen persönlichen Bestleistungen. B. hatte eine Schwäche für Bücher, vor allem aber für Fahnen, die auf billigem, glänzendem Papier gedruckt waren; dafür ließ sie sogar die Markknochen links liegen, die ich samstags manchmal auf dem Markt für sie kaufte. Gelegentlich bildete ich mir ein, in ihrem Kot winzige Romanstücke zu entdecken, und dann dachte ich jedes Mal, es wäre mein Roman – den sie aber natürlich nicht gefressen haben konnte, weil er ja noch gar nicht fertig war. Irgendwann war ich auf eine Website gestoßen, die sich damit befasste, was man alles Seltsames in Hundekot finden konnte: Köpfe von Barbiepuppen, Spielzeugautos, Legosteine, Löffel. B. liebte Bücher und die Luftkissenfolie, mit der die dickeren Umschläge gefüttert waren. Briefe rührte sie nicht an, die waren ihr wohl nicht gehaltvoll genug, und so fand ich nun einen völlig unversehrten Brief von der Bank auf dem Boden. Der würde zu den anderen kommen. Oh – und noch etwas, das ganz nach einem Scheck von der Zeitung aussah. Großartig. Daneben lag der Brief, der mit den Fahnen gekommen war. Offenbar hatte B. diesmal den «futuristischen roman noir für die Generation nach MTV und Cyberpunk» verspeist.
    Als das Honorar für meinen letzten Zeb-Ross-Roman eingetroffen war, hatte ich mir zur Feier des Tages einen Staubsauger gekauft, um besser mit B.s zerkauten Romanschnipseln und Christophers Sägemehl fertig zu werden. Den holte ich jetzt hervor und machte mich daran, nach und nach das ganze Papier aufzusaugen. Das Buch war dermaßen zerfetzt, dass ich nicht mal mehr sagen konnte, wie dick es gewesen war, doch hier und da schnappte ich ein paar unzerkaute Absätze auf: irgendetwas von einer Frau, die mit einer diamantenbesetzten Pistole masturbiert, und weiter hinten in der Diele eine kurze Szene, in der vermutlich dieselbe Frau ein fliegendes Auto steuert, während ein Mann seinen Schwanz zwischen ihren Brüsten reibt. Als das Buch ganz aufgesaugt war, ging ich ins Wohnzimmer, um mich mit Christophers Sägerückständen zu befassen. Und während sich der Geruch nach ranzigem Hund langsam im ganzen Haus ausbreitete, dachte ich von neuem über das Kelsey-Newman-Buch nach. Wenn Oscar es mir nicht geschickt hatte, wo war es dann hergekommen? Christopher bekam nie Post, buchstäblich nie. Ein Teil von ihm war schon nicht richtig nach Brighton, geschweige denn später mit mir zusammen, hierhergezogen, und vermutlich ging seine Post immer noch an die Adresse seines Vaters in Totnes. Wenn er sich ein Buch zu uns hätte schicken lassen, hätte B. es hundertprozentig aufgefressen. Außerdem las Christopher keine

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