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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Klischees, das hatten wir einander versprochen. Was auch immer geschehen sollte, wir würden nicht in solche Klischees verfallen wie Becca und Ant und die anderen Paare, die wir kannten. Und jetzt?
    Draußen regnete es immer noch in Strömen, und hin und wieder hörte man das metallische Klicken, wenn ein weiterer Tropfen in dem Topf draußen im Flur landete. B. kam die Treppe heruntergetrottet und rollte sich im Sessel zusammen, ohne uns eines Blickes zu würdigen.
    «Und wenn ich nun nie eine Stelle finde?», fragte Christopher. Er hatte sich auf dem Sofa aufgesetzt und nippte an seinem Tee.
    «Du findest ganz sicher eine», sagte ich.
    «Aber …»
    «Du könntest doch auch in anderen Bereichen nach einem Job suchen. Oder wir ziehen um. Mich würde das nicht stören.»
    Er runzelte die Stirn. «Das hast du noch nie gesagt. Ich dachte, dir gefällt’s hier.»
    «Es gefällt mir ja auch. Nur …» Ich fing an zu husten und griff nach meinem Inhalator.
    «Nur was?», hakte Christopher nach, sobald ich den Inhalator wieder weggelegt hatte.
    «Nichts. Ich sage dir doch, es wird schon alles gut werden.»
    «Aber im Ernst, wir können es uns doch gar nicht leisten, hier wegzuziehen, oder? Es sei denn, ich finde einen wirklich guten Job oder eins von deinen Büchern schlägt mal richtig ein. Und selbst dann kriegt sicher keiner von uns eine Hypothek, und mieten geht auch nicht bei den ganzen Erkundigungen, die inzwischen eingeholt werden. Ich bin immerhin vorbestraft, Babe, das darfst du nicht vergessen. Wir sind beide nicht kreditwürdig, und wir haben keine Ersparnisse, noch nicht mal Möbel. Aber ich kann mir natürlich irgendeinen Scheißjob hier in der Gegend suchen. Vielleicht sollte ich das ja machen. Ein Achtstundentag in irgendeinem beigen Büro mit Chef und Kopierer.»
    «Nein, Süßer. Das wird schon. Wir waren uns doch einig, dass wir so was nicht wollen.»
    Wir hatten einen schlichten Plan gehabt, als wir damals nach Devon zogen. Nach allem, was in Brighton passiert war, wollten wir hier einfach nur wir selbst sein. Kein Chef. Kein Achtstundentag. Bevor wir uns begegnet waren, hatte ich immer irgendwelche Scheißjobs gehabt, und falls nötig, würde ich mir auch wieder einen suchen. Doch Christopher neigte nach wie vor dazu, loszuheulen und gegen die Wand zu boxen, wenn man ihm Vorschriften machte. Als ich ihn kennenlernte, besaß er eine Jeans und zwei T-Shirts und verpulverte sein ganzes Arbeitslosengeld für Gras. Doch nach unserer ersten gemeinsamen Nacht schenkte er mir eine Topfpflanze und erklärte mir so genau, wie ich sie pflegen musste, dass ich am Ende das Gefühl hatte, wenn ich sie eingehen ließ, würden auch wir beide eingehen. Inzwischen machte die Pflanze, meine Friedenslilie, Anstalten, ausgerechnet hier in diesem Haus das Zeitliche segnen zu wollen, doch ich weigerte mich, zu viel hineinzuinterpretieren. Sie litt unter der Feuchtigkeit und dem fehlenden Licht, das war alles, und wahrscheinlich musste sie auch häufiger gegossen werden, als ich es tat. Im Grunde war sie schon immer halbtot gewesen.
    Christopher hatte recht. Unser Haus mochte verschroben sein, aber es war real. Außerdem war es billig und in der Nähe seiner Familie. Trotzdem – inzwischen konnte ich kaum noch die tägliche Fahrt mit der Fähre bezahlen und zweifelte daran, ob ich jemals mehr Freiheit haben würde als einmal am Tag den Fluss zu überqueren und am Abend wieder zurückzukommen. Die Sonnenuntergänge waren jedoch gratis, ebenso wie meine morgendlichen Spaziergänge am Strand, und am Kiosk bekam man schon für fünfunddreißig Pence einen Tee, auch wenn Christopher sich über die Styroporbecher aufregte. Früher hatte ich an einer Universität unterrichten wollen, so wie mein Vater, und malte mir aus, mein eigenes Büro zu haben und in einer Stadt mit einer Kathedrale zu wohnen, in einem kleinen Reihenhaus an einer baumbestandenen Straße, die im Spätsommer von langen Schatten durchzogen war, und wenn die Nachbarn von der Arbeit nach Hause radelten, würden sie durch mein Fenster hereinschauen und zahllose Bücher und wuchernde Pflanzen sehen. Dazu würde es nicht mehr kommen. Doch immerhin unterrichtete ich irgendwie, der Fluss und das Meer waren wunderschön, und ich hatte keinen Chef, der mich ständig überwachte. War es nicht im Grunde egal, wo man lebte, solange man nur glücklich war?
    «Du bist kein Versager, nur weil du nicht jede Stelle bekommst, um die du dich bewirbst», sagte ich. «Bei mir

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