Das Ende der Geschichten (German Edition)
Firma Schulfreunden von Christopher gehörte. Aber wenn ich direkt nach oben in mein Arbeitszimmer ging, konnte ich immerhin jedes Gespräch über den Müll vermeiden, und wenn ich mich mit neu eingetroffenen Exposés und anderem Verwaltungskram ablenkte, musste ich vielleicht auch nicht mehr daran denken, dass Libby den ganzen Nachhauseweg über geweint hatte; ja, ich brauchte gar nicht mehr über all diese kaputten Beziehungen nachzudenken, und alles wäre wieder gut. Vielleicht hatte Vi mir ja wegen des Newman-Buchs an meine Orb-Books-Adresse gemailt. Oder Claudia hatte mir geschrieben, um mir zu erzählen, dass Vi schon seit Ewigkeiten versuchte, mich zu kontaktieren und mir zu sagen, sie hätte mir verziehen. Vielleicht war sogar noch etwas Kakao im Küchenschrank. Ich würde meine Mails checken und warten, bis Christopher im Bett war, und dann würde ich mir einen Kakao machen und die Zeitung lesen: Es gäbe wieder ein Leben außerhalb meiner eigenen Welt, und alles wäre wieder gut. Vielleicht schaffte ich es ja sogar noch, das Kreuzworträtsel zu Ende zu lösen und mir zu überlegen, was für ein Strickmuster ich mir morgen besorgen sollte.
Doch schon als ich die Haustür öffnete, war klar, dass ganz und gar nichts wieder gut werden würde. Ich roch angebranntes Essen, und vom Flur her war ein Ploppen zu hören. Plopp, plopp, plopp . Was war das bloß?
«Christopher?»
Ich spannte meinen Schirm neben der Tür zum Trocknen auf und hängte Mantel und Tasche über das Treppengeländer. Dann ließ ich B. von der Leine, und sie trabte nach oben und blieb vor der Badezimmertür sitzen, um mit ihrem Handtuch abgetrocknet zu werden. Wenn ich nicht rechtzeitig kam, würde sie das Handtuch selbst auf den Boden zerren und sich so lange darauf wälzen, bis sie trocken war. Nasses Fell war ihr unangenehm.
«Süßer?» Ein Wassertropfen traf mich im Nacken. Ich schaute nach unten und stellte fest, dass ich mitten in einer Pfütze stand. Das Ploppen kam vom Regenwasser, das auf den Fußboden tropfte und bereits den Dielenteppich durchtränkt hatte. Ich ging in die Küche und kramte den Topf hervor, den wir am wenigsten benutzten: einen Eierkochtopf, den ich kurz nach unserem einzigen Urlaub gekauft hatte. Nun sah ich auch, dass Christopher zusammengerollt auf dem Sofa lag und das ganze Zimmer von Verzweiflung erfüllt war. Ich überlegte, dass es sinnvoller war, mich erst um die undichte Stelle zu kümmern.
«Was machst du?», fragte er mit Grabesstimme.
«Ich stelle nur kurz einen Topf in den Flur. Das Dach ist schon wieder undicht. Mach dir keine Gedanken.»
«Wie geht’s der großen Hure von Dartmouth?»
«Sprich nicht so von ihr.»
«Warum denn nicht? Ist doch wahr. Wenn du dich so aufführen würdest, würde ich dich umbringen.»
Als ich den Topf hinstellen wollte, rutschte ich aus und landete mit dem Knie in der Pfütze. Es fühlte sich an, als hätte ich mich auf einen nasskalten Schwamm gekniet. «Scheiße!», rief ich.
«Was hat dir denn heute schon wieder die Laune verhagelt?», fragte Christopher.
Ich richtete mich auf. Unter der Jeans trug ich eine dicke Wollstrumpfhose, sodass mir jetzt gleich zwei Schichten nassen Stoffs am Bein klebten. Ich musste mich umziehen, aber wenn ich jetzt nach oben ging, warf Christoper mir später mit Sicherheit vor, ich wäre einfach aus dem Zimmer gestürmt. So stand ich also mit einem nassen Bein da.
«Hör mal, Christopher, ich will mich heute wirklich nicht auf eine ‹Wer hat hier schlechte Laune?›-Diskussion einlassen. Ganz offensichtlich stimmt etwas nicht mit dir. Ich habe aber keine Lust, dir erst mal eine Stunde lang erklären zu müssen, dass nichts mit mir ist, bevor du bereit bist, darüber zu reden. Ich hole mir jetzt einfach ein Glas Wasser, gehe nach oben und arbeite ein bisschen.»
Er schwieg. Als ich wieder in die Küche trat, wurde der Geruch nach Angebranntem stärker. Die Grillpfanne stand draußen, darauf lagen zwei schwarzverkohlte Würstchen wie die mumifizierten Finger einer Moorleiche. Ich nahm ein Küchentuch und tupfte mir damit das Knie ab. Wenn Christopher das sah, würde er dann denken, dass ich wegen der undichten Stelle Theater machte und ihm Vorwürfe, weil er noch keinen Topf aufgestellt hatte? Ließ sich das als feindselige Handlung interpretieren? Plötzlich hätte ich am liebsten laut losgebrüllt. Das war doch alles nur in meinem Kopf. Ich musste endlich aufhören, so viel nachzudenken, und mich wie ein ganz normaler Mensch
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