Das Ende der Geschichten (German Edition)
verhalten, ohne ständig jede meiner Handlungen in Frage zu stellen. Ich füllte den Wasserkocher und schaltete ihn ein.
«Was ist denn hier passiert?», fragte ich und musterte die Grillpfanne. «Christopher? Tut mir leid, dass ich dich angefaucht habe. Ich bin ein bisschen müde. Ist alles in Ordnung?»
Auf der Arbeitsfläche lag ein Brief, der offensichtlich zerknüllt und dann wieder glattgestrichen worden war. Eine Ecke war in die Wasserlache geraten, die entstanden sein musste, als Christopher sich einen Kaffee gemacht hatte. Es war, als hätte man Spuren für mich gelegt, so wie beim Kinder-Quiz im Fernsehen oder beim Abenteuerurlaub. Irgendwann im Lauf des Abends hatte Christopher also Würstchen gebraten und sie dann anbrennen lassen. Er hatte nicht aufgeräumt, was ihm gar nicht ähnlich sah. Die undichte Stelle an der Decke hatte er einfach nicht beachtet und sich stattdessen auf dem Sofa zusammengerollt. Ich nahm den Brief und las ihn. Eine weitere Absage, diesmal von Moor Trees. Vor zwei Wochen hatte er dort ein Bewerbungsgespräch gehabt und war sich gar nicht sicher gewesen, ob er die Stelle überhaupt haben wollte. Mauern und alte Häuser waren ihm sehr viel lieber als Bäume, doch die meisten Kulturerbestätten hatten ihn nicht einmal zum Gespräch eingeladen.
«Ach, Süßer, das tut mir leid», sagte ich.
Ich ging zum Sofa hinüber, setzte mich neben Christopher und legte ihm die Hand auf den Rücken. Erst da merkte ich, dass er leise vor sich hin schluchzte; sein ganzer Körper schaukelte wie ein sturmgepeitschtes Boot auf dem wieder ruhigeren Meer. Er schüttelte meine Hand ab, und ich seufzte vernehmlich.
«Ich bin ein beschissener Versager», murmelte er. «Wird Zeit, dass ich das endlich zugebe. Nicht mal Würstchen braten kann ich. Nicht mal einen Topf hinstellen, wenn die Decke undicht ist. Mein Vater zieht mit einer fünfundzwanzigjährigen Kellnerin zusammen, mein Bruder dreht durch, und an Weihnachten hat meine Schwester mir erklärt, dass sie mich einfach nicht mehr leiden kann. Das ist doch alles scheiße. Egal, was ich anfasse, ich mache es nur kaputt.»
«Aber das stimmt doch gar nicht», erwiderte ich. «Becca meint das nicht so, sie will dich nur verletzen. Außerdem war sie an Weihnachten immer schon gereizt und ungerecht. Na komm. Willst du dich nicht richtig hinsetzen?»
«Ich kann nicht. Du verstehst das nicht. Es klappt einfach nichts mehr.»
«Gut, dann bleibst du eben liegen. Vielleicht kommt ja was im Fernsehen.»
«Ich will nicht fernsehen.»
«Ich kann auch gehen, wenn du lieber allein sein willst.»
«Nein, geh nicht.» Er griff nach meiner Hand und hielt sie fest. «Wie hältst du es bloß mit mir aus?»
«Süßer …»
«Ich hab das vorhin nicht so gemeint. Natürlich würde ich dich nicht umbringen. Ich würde dir nicht mal Vorwürfe machen. Und ich bin auch gar nicht sauer auf Libby. Zumindest nicht ernstlich. Gott, tut mir der Kopf weh. Ich kann mich kaum bewegen.»
«Willst du eine Schmerztablette?»
«Ja.»
«Und vielleicht einen Tee?»
«Ja.» Doch er ließ meine Hand nicht los. «Was ist bloß passiert, Babe?»
«Hm?»
«Was ist mit uns passiert? Ich weiß nicht mal mehr, ob ich dir überhaupt noch guttue. Ich baue doch nur Mist. Durch meine Schuld hast du sogar das falsche Buch rezensiert.»
«Ich mache dir jetzt mal einen Tee.»
«Meg?»
«Ja?»
«Nichts. Es tut mir leid. Es tut mir leid wegen dem Buch.»
«Schon gut. Du konntest ja nichts dafür. Mir tut es auch leid. Ich bin gleich wieder da, ja? Ich ziehe mir nur kurz was anderes an, und dann mache ich dir deinen Tee.»
Kurz darauf stand ich in der Jeans vom nächsten Tag in der Küche, ließ das Wasser noch einmal kochen und aß währenddessen eine Mandarine. Wäre Christopher in seiner normalen Verfassung gewesen, hätte er vermutlich irgendeinen Kommentar darüber gemacht, dass ich das Wasser für denselben Tee zweimal kochen ließ. Er sagte oft, dass er den Fußabdruck, den er auf der Umwelt hinterließ, so klein wie möglich halten wolle; aber ich fragte mich manchmal, ob es ihm nicht eigentlich darum ging, die Umwelt daran zu hindern, auf ihrem Weg in eine ungewisse Zukunft ihren Fußabdruck auf ihm zu hinterlassen. Wie es wohl wäre, wenn er sich entschloss, mich zu verlassen? Ich betrachtete seinen schmalen Rücken, das dunkle Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Wir hatten uns doch geschworen, für immer zusammenzubleiben. Und nicht so zu werden wie andere Paare. Keine
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