Das Ende der Geschichten (German Edition)
Partner zu Hause lag und schlief. Schon beim Gedanken an Kakao wurde mir schlecht, also trank ich nur ein Glas Wasser, verfütterte eins der verbrannten Würstchen an B. und spülte die Grillpfanne. Dann setzte ich mich eine Zeit lang mit dem Kreuzworträtsel hin und wünschte mir, duschen zu können, ohne dass Christopher es merkte. Auf dem Weg zurück ins Bett ging ich noch einmal hinauf ins Arbeitszimmer, betrachtete mein Flaschenschiff und versuchte erneut, mir zu erklären, warum es mir direkt vor die Füße gespült worden war. Einen kurzen Augenblick lang gab es nur mich und das Schiff in unserer Flasche, und nichts außerhalb existierte mehr: keine Kontoauszüge, kein Staub und keine Verwahrlosung – und auch kein schlafender Mann im Stockwerk unter mir, von dem ich wusste, dass er mich brauchte, mich aber eigentlich nicht richtig liebte.
***
Ich war gerade neun geworden, als die Coopers neben uns einzogen. Wir bewohnten das letzte Reihenhaus in einer Straße nahe der Kathedrale, und das Haus nebenan stand bereits seit langem leer. Mr. Cooper hatte einen gewaltigen Bart und lehrte an derselben Universität wie mein Vater, war allerdings Geistes- und kein Naturwissenschaftler. Jeden Morgen fuhr er mit einem großen braunen Ranzen und einer Thermosflasche voll Ochsenschwanzsuppe im Gepäck auf dem Fahrrad davon. Mrs. Cooper trug ausschließlich Jeans und hatte ihr rotes Haar kurzgeschnitten. Sie hatte gerade ein Zweitstudium der Psychologie an der Universität aufgenommen. Die beiden hatten einen Sohn und eine Tochter: Caleb, einen langhaarigen Halbstarken, der nur Schuhe anzog, wenn er zur Schule musste, und Rosa, ein Jahr jünger als ich und hell von Kopf bis Fuß: Sie hatte strahlend weiße Haut und hellrotes Haar, und ihre Sommersprossen hatten die Farbe von sehr schwach aufgebrühtem Tee. Die Coopers besaßen mehrere Katzen, und kurz nach ihrem Einzug sah ich Mrs. Cooper vor der Hintertür kauern und eine Katzenklappe einbauen. Während der ersten zwei Wochen wurde viel gehämmert und gebohrt. Mein Vater meinte, dafür müsse man Verständnis haben, doch meine Mutter beschwerte sich andauernd, weil Toby von dem Lärm aufwachte. Trotzdem freundeten wir uns rasch mit der neuen Familie an. Aus irgendwelchen Gründen gingen wir fast nie zu ihnen, doch bei uns trieb sich immer mindestens ein Cooper herum, selbst wenn es nur eine der Katzen war. Jeden Dienstag ging ich nachmittags gemeinsam mit Rosa nach Hause, und sie aß bei uns zu Abend, weil Mrs. Cooper ein spätes Seminar hatte. Jeden Freitagabend spielte mein Vater im Esszimmer Schach mit Mr. Cooper, und dabei redeten sie ununterbrochen über die Universität, erörterten die jeweiligen Vorzüge der verschiedenen Dekane, die geheimen Motive des Rektors und die Frage, in welchem Aufenthaltsraum es die besten Käseröllchen gab. Selbst Caleb kam hin und wieder vorbei, um mit meinem Vater, der ihm Bücher voll wissenschaftlicher Gleichungen lieh, über das wahre Wesen des Universums zu diskutieren.
Etwa einen Monat nach dem Einzug der Coopers kam es zu merkwürdigen Vorkommnissen. Jeden Abend gegen neun, kurz nachdem ich ins Bett gegangen war, ertönte ein lautes Krachen, gefolgt von verschiedenen kurzen Plumpslauten, als würden Bücher auf den Boden geworfen. Anschließend erklangen Schritte, und manchmal hörte man auch jemanden weinen: Ich wusste, dass es Rosa war, behielt das aber für mich. Die Katzen brachen in grelles Maunzen aus und stoben durch die Katzenklappe nach draußen, als wäre ihnen ein Rudel Hunde auf den Fersen. So ging es bis etwa ein Uhr morgens weiter, dann schlief ich schließlich für etwa eine Stunde ein, bis Toby wieder wach wurde. Danach lag ich wieder wach und hörte mir an, wie meine Mutter in sein Zimmer schlich und mit ihm im Flur auf und ab ging, um ihn wieder zu beruhigen. Manchmal kam auch mein Vater dazu, um sie daran zu erinnern, dass es das Beste sei, Babys einfach schreien zu lassen. An Schlaf war also praktisch nicht zu denken.
Meine Eltern führten lange Gespräche über die Geräusche nebenan. Sollten sie die Coopers darauf ansprechen – oder lieber nicht? Würde ihnen das nicht unangenehm sein? Würden sie es als Einmischung auffassen? Meine Mutter argwöhnte, dass der sanfte Mr. Cooper vielleicht heimlich seine Frau verprügelte. Mein Vater meinte, die Geräusche, die wir hörten, kämen vielleicht einfach aus dem Radio, oder Caleb machte irgendwelchen Unsinn, oder wir bildeten uns das alles
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