Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
kleines Kind sehr fehle. Der eine gestand, er habe »eine Kassette mit diesem Mozart und diesem Chopin drauf an Joes Frau geschickt, weil es für Babys ja echt wichtig ist, solche Musik zu hören. Richtig beruhigend.«
In einem direkten Gespräch mit den Forschern erklärte ein Vorarbeiter, wie sich die Arbeitskultur verändert hatte. Zuerst hätten er und seine Kollegen lernen müssen, »wie man sich benimmt wie die Turteltäubchen und andere freundlicher behandelt und auch seine weichere Seite zeigt und so. Zuerst haben wir alle drüber gelacht. Wir haben gedacht, das wird ja nie funktionieren. Aber jetzt sieht man den Unterschied deutlich. Obwohl wir immer noch untereinander Witze machen und uns aufziehen, ist jetzt keine Häme mehr dabei. Wir sind heute ganz anders als früher – freundlicher, sanfter.«
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die neuen Regeln allmählich zu den Männern vordrangen und ihre Definition von Männlichkeit veränderten. Ein Arbeiter erklärte ihnen, ein Mann zu sein »bedeutet nicht, dass ich den anderen unbedingt in den Hintern treten muss«. Ein anderer meinte: »Ich will auf der Plattform kein Superheld sein. Ich will nicht so tun, als ob ich alles wüsste.« Ein Dritter gab zu: »Ein Mann ist ein Mann, wenn er denkt wie eine Frau«, was bedeutete: »Sensibel zu sein, mitfühlend, im Kontakt mit meinen Gefühlen, zu wissen, wann man lacht und wann man weint«.
Die Ölbohrinseln Rex und Comus sind abgeschlossene Arbeitswelten, wo Männer für einen bestimmten Zeitraum getrennt von ihren Familien und Freunden leben. Dadurch sind sie die perfekten Orte für Social Engineering, aber nicht unbedingt Abbilder der realen Welt. Doch wenn ein Rudel Löwen derart gezähmt werden kann, wenn die Raubtiere lernen, wie man zusammen lacht, weint und betet, dann besteht wohl Hoffnung für uns alle. Die Forscher glauben, dass das Programm Safety 2000 funktionierte, weil es sich für alle lohnte. Als sich die Männer noch mühten, sich als das größte, schlimmste Raubein aufzuführen, jagten sie einer Illusion hinterher. Doch indem sie sich am neuen Männerbild orientieren, war es ihnen möglich, echte zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen, die uns – uns allen – viel mehr Halt geben.
Wir leben in einer Welt, in der Gewandtheit und Flexibilität ebenso belohnt werden wie die Bereitschaft, sich einer im Wandel begriffenen Wirtschaft anzupassen und auf gesellschaftliche Stimuli zu reagieren. Derzeit zeigt die Frau aus Plastik mehr von diesen Eigenschaften als der Mann aus Pappe – wie gesagt: derzeit. Möglicherweise verfügen Frauen von Geburt an über bestimmte Eigenschaften, die ideal in die Welt von heute passen. Aber es ist genauso gut möglich, dass Frauen, weil sie den Männern so viele Jahre lang hinterhergehinkt sind, über das besondere Gespür des Underdogs verfügen. Oder vielleicht sind wir in all den Jahrhunderten, in denen wir für die Kinder zuständig waren, zu Expertinnen für Multitasking geworden.
In der Zukunft kann auch der Mann aus Pappe – womöglich nachdem er selbst eine Weile der Underdog gewesen sein wird und sich in erster Linie um die Kinder kümmern musste – wieder flexibler und damit zu einem Mann aus Plastik werden. Bei meinen Recherchen habe ich einige Männer getroffen, die bereits den Weg in diese Zukunft gefunden haben und den anderen die Richtung weisen. Meine Untersuchungen und Erkenntnisse haben mich veranlasst, meine beiden Söhne anders zu erziehen. Selbst wenn es ihrer »Natur« widerspricht, möchte ich ihnen Flexibilität beibringen. Zu meiner Erleichterung habe ich entdeckt, dass das gar nicht so schwer ist, wenn alle Beteiligten ein bisschen kreativ sind.
Zwei Monate vor meinem Anruf hatte Calvin einen Autounfall, bei dem er sich mehrere Knochenbrüche zuzog. Das habe ihm »die Augen geöffnet«, wie er mir sagte. Er dachte an die beschwerliche körperliche Arbeit, die er bisher bei seinen Jobs geleistet hatte, und fragte sich: »Was will ich wirklich mein Leben lang machen? Will ich mein Leben damit verbringen, zwischen zwei Typen eingequetscht vorne in einem Laster zu sitzen?« Er dachte zurück an seine Kindheit, als er elf war, etwa so alt wie seine Tochter heute. Sein Lieblingsonkel – der Bruder seiner Mutter – war schwer erkrankt, weigerte sich jedoch, ins Krankenhaus zu gehen. Also nahm ihn Calvins Mutter, die ja Krankenschwester war, bei sich auf und pflegte ihn zu Hause. Er war ein schwieriger Patient, der manchmal
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