Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
schlichter Niedergang der Moral. Doch Edin erklärt das Verschwinden der Ehe damit, dass Frauen mittlerweile wirtschaftlich unabhängiger sind und daher die Bedingungen für eine Ehe diktieren können – und damit normalerweise zu hohe Hürden für die Männer in ihrem Umfeld aufstellen. »Ich habe diesen klassischen Traum von einem Haus mit Garten«, sagte eine Frau zu Edin, und die Männer, die sie kenne, entsprächen dieser Vorstellung einfach nicht, daher fungiere sie selbst als Mutter/Vater/Ernährer/Familienoberhaupt. Oder wie es Edins Koautorin, die Soziologin Maria Kefalas, formuliert: »Jeder schaut Oprah Winfrey« – oder eine entsprechende Sendung. »Jede Frau will eine große Hochzeit, einen Seelenverwandten, einen Ehemann, der gleichzeitig der beste Freund ist.« Aber unter den Männern in ihrem Bekanntenkreis findet die Frau diesen Traummann nicht.
Ein kleiner Beleg für die Theorie, dass Frauen nicht heiraten, weil sie in einer überlegenen Position sind, findet sich in einer kürzlich erschienenen Untersuchung über Lottogewinner in Florida mit dem Titel »Lucky in Life, Unlucky in Love?: The Effect of Random Income Shocks on Marriage and Divorce«, die 2011 im Journal of Human Resources erschien. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen, die im Lotto gewonnen hatten, erheblich weniger dazu neigten zu heiraten, während ein Lottogewinn bei Männern keinen Unterschied machte. Frauen, die relativ hohe Summen gewonnen hatten (25 000 bis 50 000 Dollar), neigten zu 41 bis 48 Prozent weniger zu einer Heirat als Frauen, die weniger als 1000 Dollar gewonnen hatten, was darauf hindeutet, dass Geld tatsächlich die Entscheidungen von Frauen beeinflusst.
Das Ergebnis ist zwar nicht eindeutig, doch es passt ins Bild. Die Zukunft des ganzen Landes könnte bald so aussehen wie die Gegenwart für viele Afroamerikaner aus den unteren Einkommensschichten: Die Mütter reißen sich am Riemen, aber die Väter halten nicht Schritt. Weiße Frauen, die als Erste in ihrer Familie einen Hochschulabschluss haben, könnten mit ihren schwarzen Geschlechtsgenossinnen eine neue Mittelschicht bilden, wo die Ehe immer seltener eine Rolle spielt.
Dieser Wandel ist nicht nur am Rand der Gesellschaft zu beobachten, sondern reicht bis weit in die amerikanische Mittelschicht, wie Wilcox und seine Kollegen in einer bahnbrechenden Untersuchung mit dem Titel »When Marriage Disappears: The Retreat from Marriage in Middle America« zeigen. Wilcox konzentriert sich dabei auf die »mäßig gebildete Mitte«, wie er die 58 Prozent der Amerikaner nennt, die keinen Hochschulabschluss haben, aber die Highschool abschlossen und eventuell über eine weitere Ausbildung verfügen. Diese Gruppe strebte früher immer nach oben und orientierte sich an höheren Gesellschaftsschichten. Doch nun ist »die Ehe, diese symbolträchtige Institution der Mittelschicht« bei weiten Teilen im Schwinden begriffen, schreibt Wilcox, und zwar »in einer erstaunlichen Geschwindigkeit«.
Bei fast jedem wichtigen sozialen Kriterium ähnelt die amerikanische Mittelschicht zunehmend der Gruppe, die die Highschool abgebrochen hat. Ende der 1990er Jahre ließen sich 37 Prozent der Frauen mit mäßiger Bildung innerhalb der ersten zehn Jahre nach ihrer ersten Eheschließung scheiden oder lebten getrennt. Dieser Anteil entspricht fast dem Prozentsatz bei den Frauen, die keinen Highschool-Abschluss haben, und ist dreimal höher als bei Frauen mit Hochschulabschluss. Auch bei der Untreue und der Zahl der Sexualpartner hat die amerikanische Mittelschicht aufgeholt. Gegen Ende der 2000er Jahre waren 44 Prozent der Kinder, die von mäßig gebildeten Müttern geboren wurden, unehelich, bei den Kindern besonders gebildeter Mütter waren es nur 6 Prozent. Teenager aus der Mittelschicht beurteilen eine Schwangerschaft bei sich heute als weniger peinlich und schon gar nicht als Schande. Ihr Wunsch, aufs College zu gehen, hat sich dagegen merklich abgeschwächt.
Die Mittelschicht strebt nach wie vor eine glückliche Ehe mit einem Partner an, der gleichzeitig auch ein guter Freund ist, aber die Erfahrungen im wahren Leben passen immer weniger dazu. Von den 1970er bis zu den 2000er Jahren ist der Anteil der Ehepartner, die angaben, sie seien »sehr glücklich« in ihrer Ehe, bei den mäßig gebildeten Amerikanern von 69 auf 57 Prozent gesunken. Die Ehe, schreibt Wilcox, »läuft Gefahr, zum Luxusgut zu werden, das nur für diejenigen erreichbar ist, die über die materiellen und
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