Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
auftauchte, die regelmäßig in einer Apotheke um Stoff bettelte.
Gelegentlich wurden die Frauen auch verteidigt und der Beruf als durchaus geeignet für sie angesehen, meist stützte man sich dann auf Legenden wie Florence Nightingale als Engel der Kranken und Heilige mit einem unglaublichen Organisationstalent. In einem Artikel von1893 , in dem Frauen als »neue Drogistinnen« vorgestellt wurden, hieß es, dass Medikamente nicht von Maschinen zusammengestellt werden sollten, sondern von einem »jungen Mädchen mit frischem Gesicht und mit zarten Händen, frohem Blick und goldenen Zöpfen … Sie überreicht sie mit hellem Blick, bescheidenem Lächeln und mit einer Art, die signalisiert, dass sie auch eine Geschäftsfrau ist.« Ein paar Jahre zuvor war im Druggists’ Bulletin von 1887 die folgende herablassende Liebeserklärung an das »Mädchen in der Apotheke« erschienen, in dem es als perfekte Ehefrau gepriesen wurde:
Like sparkles of morning sunbeams,
All sweet with the flowers they kiss,
Comes the gentle evangel of brightness,
The »Registered« girl Pharmacist ...
Make room all you bachelor chemists,
Make room for this queen on your list
And crown her with all the attributes,
A »Registered« girl Pharmacist.
(Wie Strahlen der Morgensonne
Süß von den Blumen, die sie küssen,
Kommt die sanfte Verkünderin der Helligkeit,
Die »examinierte« Apothekerin …
Macht Platz, ihr Junggesellen unter den Chemikern,
Macht Platz für die Königin auf eurer Liste
Und krönt sie mit all den Attributen
Der »examinierten« Apothekerin.)
Doch auf dem Louisville College of Pharmacy for Women, das 1883 gegründet wurde, weil die regulären Universitäten keine Frauen aufnahmen, malte der Eröffnungsredner den Studienanfängerinnen ein deutlich weniger romantisches Bild von der Zukunft: »Sie haben sich entschieden, sich mit den Männern in eine Reihe zu stellen. Sie sind sein Mitbewerber ums tägliche Brot, sein Rivale bei der Arbeit. Erhoffen Sie sich keine andere Behandlung als die, die er seinen Kollegen angedeihen lässt.« Frauenrechtlerinnen griffen diesen Aspekt auf: »Den Aufschrei einzelner Schwächlinge, die um die Sicherheit ihrer eigenen unsicheren Positionen fürchten und daher verlangen, dass Frauen nicht als Pharmazeutinnen arbeiten dürfen, weil sie das Einkommen dort schmälern könnten, werden wir Frauen nicht akzeptieren«, schrieb Emma Gary Wallace. »Nein! Tausendmal nein!«
In den 1920er Jahren drängten Mädchen und Frauen in großer Zahl in die Büroberufe. Wie heute schlossen sie die Schule mit besseren Noten ab als die Jungen und besuchten dann weiterführende Schulen. Ziel war die Anstellung in einem Büro, die ähnlich beschrieben wurde, wie Hannah und ihre Freundinnen von der Arbeit der Apothekerin schwärmen: »sauber, angenehm, angesehen«. Ein Mädchen, das in der Fabrik arbeitete, konnte Schande über die Familie bringen; ihre Tätigkeit hatte etwas Verzweifeltes und Gefährliches. Aber als Sekretärin in einem der überall in Amerika entstehenden, mit Schreibmaschinen ausgestatteten Büros konnte sie mit ihrer Karriere prahlen.
In früheren Zeiten hatte man bei diesem Beruf eher an eine Figur wie aus einem Roman von Charles Dickens gedacht: ein Gentleman im schwarzen Gehrock und mit einem grünen Augenschirm, der lange Zahlenreihen im Kopf addierte. Er hatte nicht nur einfach die Funktion eines Schreibers, sondern hütete die wertvollen Geheimnisse der Firma und war vom Firmenchef persönlich eingelernt worden. Er konnte hoffen, rasch aufzusteigen und vielleicht eines Tages selbst die Leitung der Firma zu übernehmen. In den Schriften für die neue Karrierefrau hieß es damals hoffungsvoll, der Begriff clerk (Büroangestellter) leite sich vom Wort cleric (Kleriker) ab.
Doch kaum wurde der Beruf des Sekretärs weiblich, verblasste dieses Ansehen. In der rasch expandierenden Wirtschaft arbeiteten Frauen als Stenografinnen für Versicherungsunternehmen, als Vermittlerinnen bei Ölgesellschaften oder als Telefonistinnen bei einer Bank. Aufstiegsmöglichkeiten gab es keine. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 1939 unter Firmen in fünf Bundesstaaten gaben die Unternehmen an, es gebe spezielle Stellen für Frauen und spezielle Stellen für Männer, die »unzufrieden wären, wenn sie keine Aufstiegschancen hätten«, wie eine Firma erklärte. Die Berufe wurden, wie die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Goldin erläutert, im Grunde mit »sekundären Geschlechtsmerkmalen«
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