Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
zu haben und auszugehen, doch dann starrten beide während des Essens fast die ganze Zeit auf ihr iPhone.) Trotzdem ist die Arbeitskultur im Silicon Valley eine Offenbarung. Ohne staatliche Vorschriften und bürokratische Regulierungen wird im Silicon Valley an der Lösung des größten Problems für ehrgeizige berufstätige Frauen gearbeitet, einem Problem, das man bisher für unlösbar hielt: Wie können sie Zeit mit ihren Kindern verbringen, ohne ihre Karriere zu ruinieren?
Die Branche hat das Problem keineswegs gelöst, das heißt, es gibt auch dort sehr wenige Frauen an der Spitze der Unternehmen. Wir erhaschen jedoch einen Blick auf die Arbeitskultur der Zukunft, wo die bloße Anwesenheit nicht so wichtig ist und man automatisch davon ausgeht, dass Frauen – und Männer – wirklich ehrgeizig sein und trotzdem noch ein Privatleben haben können. »Das Ansehen eines Mitarbeiters basiert auf dem, was man leistet«, sagte mir White, »und nicht auf dem, was man in der Hose hat.« In einer Tabelle, in der die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Goldin die »Karrierekosten durch eine Familie« (den Preis, den man bezahlt, wenn man sich Zeit für die Familie nimmt) an verschiedenen Arbeitsplätzen vergleicht, stehen die Hightech-Unternehmen in einer Art Wolke der Glückseligen weit über den anderen Firmen. Frauen wie Männer können sich eine Auszeit nehmen und müssen trotzdem keine großen Einkommenseinbußen befürchten. Andere Branchen, erklärt Goldin, würden dagegen an »Trägheit« oder »einer Abneigung gegen Veränderungen« kranken. Sie vergleicht diese Branchen mit ihrem Ehemann, der »bis heute gern bei Whole Foods einkauft und immer die gleiche Route durch die Regalreihen nimmt, während ich gern Neues entdecke. Die neueren Branchen gehen die Dinge anders an und finden plötzlich tatsächlich neue Wege.«
Probleme, mit denen sich andere Unternehmen herumplagen, bekommen die Firmen im Silicon Valley unkonventionell und scheinbar mühelos in den Griff. Bestand die Gefahr, dass Mütter durch die Katy-Regel stigmatisiert wurden? Mayer sorgte dafür, dass die Regel für alle galt. Jetzt kann einer ihrer jungen männlichen Führungskräfte jeden Dienstag früher Schluss machen, weil er mit seinen ehemaligen Mitbewohnern vom College zu Abend isst und ihm der Termin heilig ist. Die Probleme im Leben unterscheiden sich gar nicht so sehr von den Problemen in der Technologie: Mit einem kreativen Ansatz lässt sich alles lösen.
Als erste Frau, die von Google als Technikerin eingestellt wurde und dann in die Führungsetage aufstieg, ist Mayer Teil der Google-Legende geworden. Sie machte ihren Abschluss in Informatik mit dem Schwerpunktthema künstliche Intelligenz an der Stanford University und ist selbst in einem lockeren Gespräch so konzentriert, dass ich mich bei der Überlegung ertappte, ob sie überhaupt blinzelte. Sie ist groß und blond, sieht gut aus (ein bisschen wie Holly Golightly), hat Stil und tritt regelmäßig bei schicken Partys an der Seite ihres gutaussehenden Unternehmer-Mannes auf, worüber auch in den lokalen Society-Blogs gern berichtet wird. Sie weiß sehr gut, dass sie etwas Besonderes ist, und hat ihre Rolle als Vorbild für ehrgeizige technikbegeisterte Mädchen in der ganzen Welt akzeptiert: »Ich halte es für wichtig, dass gerade Mädchen wissen, dass es nicht den einen Weg zum Erfolg gibt. Man kann auf Mode stehen und trotzdem ein Technikfreak sein und gut programmieren können«, sagt sie und fügt dann eilig hinzu: »Genauso gut kann man natürlich ein toller Sportler und ein guter Programmierer sein. Man muss das, was man liebt, nicht aufgeben.«
Doch wenn man versucht, Mayer auf ein so vermintes Gebiet wie die Frage der Gleichberechtigung zu ziehen, setzt sie sich zur Wehr. »Ich bin nicht als Frau bei Google«, sagt sie gern. »Ich bin bei Google, weil ich ein Technikfreak bin.« Und warum gibt es nicht mehr Technikfreaks unter den Mädchen, warum machen nicht mehr ihren Abschluss in Informatik?, wollte ich wissen. »Ich mache mir weniger Gedanken um den Anteil, ich will die Gesamtzahl erhöhen«, antwortete sie. »Wir haben weder genug Männer noch genügend Frauen, die wissen, wie man programmiert.«
Die Frauen im Silicon Valley leben nicht in einer abgehobenen Märchenwelt, wo sie Sexismus nicht mehr wahrnehmen. Man müsste schon blind sein, um jeden Tag durch die Büroräume von Facebook oder Google zu gehen, ohne dass einem auffällt, dass fast alle Programmierer
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