Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
männlich sind. Sheryl Sandberg, die bei Facebook das operative Geschäft leitet, spricht von einer »Burschenschaft«, bei der es zugehe wie in einer Studentenverbindung. Doch hier hat man zum Sexismus eine ähnliche Einstellung, wie man sie vermutlich in London zum schlechten Wetter hat: ein allgegenwärtiger und unerfreulicher Umstand, der einen jedoch nicht davon abhalten sollte, seinen eigenen Geschäften nachzugehen. Die Frauen leugnen den Sexismus nicht, doch sie ignorieren ihn und konzentrieren sich lieber auf ihre Arbeit. Sie sind weder idealistisch noch aufmüpfig, sondern einfach nur sehr pragmatisch: Am besten meistert man solche Situationen, wenn sie auftreten, eine nach der anderen, wie die vielen kleinen Fehler beim Programmieren.
Sich mit Sexismus zu befassen sei »komplette Zeitverschwendung«, erklärte Lori Goler, Personalchefin bei Facebook, in einem Artikel über Sandberg im New Yorker . »Wenn ich mich eine Stunde lang darüber auslasse, dass ich als Frau von etwas ausgeschlossen bin, ist das eine Stunde, die ich nicht damit verbringe, die Probleme bei Facebook zu lösen.« Selbst Berichte über offenen, hartnäckigen Sexismus gelten hier nicht. White erzählte mir von ihrem ehemaligen Chef in einer anderen Firma, der ihr sagte: »Ich kann es kaum erwarten, dass Sie kündigen, damit ich Sie heiraten kann.« Aber White winkte einfach ab und meinte, der Typ wäre eben schon »ziemlich alt« gewesen, ein Dinosaurier, der mittlerweile sicher schon die Radieschen von unten betrachte. Sie nahm einfach an, dass er ein Relikt aus der Mad Men- Ära war und ein altertümliches Verhalten an den Tag legte, das man vielleicht noch aus einer Retro-Fernsehserie oder aus dem Museum kannte. Sie dagegen verkörperte die Zukunft.
Man muss den Mangel an Frauen in den Spitzenpositionen der amerikanischen Wirtschaft nur erwähnen, schon bekommt man eine gesunde Dosis feministischen Zorns zu spüren. »Ich habe es satt zu hören, wie weit wir gekommen sind. Ich habe es satt zu hören, wie viel besser es uns heute im Vergleich zu früher geht … Es ist doch so: Was Führungspositionen betrifft, sind Frauen fast nirgends zu finden«, schreibt Barbara Kellerman, Professorin für Führung an der Harvard Kennedy School, und zitiert die bekannten Statistiken: Frauen stellen nur 3 bis 6 Prozent der CEO s bei den Fortune-500-Unternehmen und haben nur 17 Prozent der Sitze im US -Kongress inne. Außerdem sind nur 20 der 180 Staats- und Regierungschefs weltweit weiblich.
Natürlich gibt es andere Statistiken, die sich nicht nur auf die Spitzenpositionen beziehen. Direkt unterhalb der CEO s – bei den Führungskräften mit der besten Bezahlung – haben Frauen in jüngster Zeit um etwa einen Prozentpunkt pro Jahr aufgeholt. Die Zahl der Frauen mit einem sechsstelligen Einkommen steigt in den USA deutlich schneller als die der Männer. Landesweit verdiente im Jahr 2009 jede achtzehnte in Vollzeit arbeitende Frau 100 000 Dollar und mehr, wie die jüngsten Zahlen zeigen – was eine Verbesserung um 14 Prozent innerhalb von zwei Jahren bedeutet. Frauen sind heute Moderatorinnen von Nachrichtensendungen, Präsidentinnen von Universitäten der Ivy League, Bankpräsidentinnen, Vorstandsvorsitzende von Unternehmen, Filmregisseurinnen, Komikerinnen, die auch vor Fäkalhumor nicht haltmachen, Präsidentschaftskandidatinnen und so weiter – das alles wäre vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Der Posten des US -Außenministers ist praktisch für eine Frau reserviert. Die Zahl weiblicher Staats- und Regierungschefs ist zwar klein, hat sich aber in den letzten Jahren verdoppelt. Und wie das Beispiel Barack Obama zeigt, genügt manchmal schon eine Person, um ein ganz anderes Bild entstehen zu lassen.
Noch wichtiger als die Statistik ist jedoch die Einstellung der Menschen. Man kann die aktuelle Situation als Beweis dafür interpretieren, dass Spitzenpositionen für immer im eisernen Griff der Männer bleiben werden, oder man kann sie als das betrachten, was sie wirklich ist: als das Todesröcheln eines Zeitalters, das im Verschwinden begriffen ist. Selbst die Art und Weise, wie darüber berichtet wird, zeigt, dass sich der Griff der Männer an der Spitze bereits lockert. In Wirtschaftskreisen wird der Mangel an Frauen in Toppositionen als Braindrain bezeichnet, als Mangel an qualifizierten Führungskräften und als »Talentschwund«. Mindestens ein Dutzend umfassender Studien hat gezeigt, dass sich der Mangel an Frauen in
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