Das Ende der Nacht: Horror-Roman
gähnende Leere. Dazwischen gab es nichts. Aber keine Spur von Christinas Eltern. Nachdem sie noch mehrmals in den leeren Flur gerufen hatte, ging sie wieder hinunter und raus auf die Straße.
Kathleen war im Wagen sitzen geblieben. Als sie Michelle durch die Eingangstür schreiten sah, stieg sie aus und ging auf sie zu.
"Und?" fragte sie.
"Keine Spur von ihren Eltern. Ansonsten ist es ausgestorben hier. Im wahrsten Sinne des Wortes.“
„Alle tot, ja?“, fragte Kathleen und Michelle glaubte, Freude klang darin mit.
„Sieht so aus. Lass uns wieder fahren. Ich fühle mich hier überhaupt nicht wohl.“
"Ich mich auch nicht", sagte Kathleen und stieg wieder ein. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, drang ein lautes Rumpeln und Gepolter an Michelles Ohren.
"Das kam aus dem Haus!" schrie Kathleen, während sie das Fenster herunter kurbelte. "Komm schon! Steig ein!"
"Warte! Vielleicht ist das ein Mensch."
"Sie sind doch alle weg oder tot! Das ist wieder ein Schatten!"
"Warte", rief Michelle und blieb an der geöffneten Fahrertür stehen. Das Poltern drang erneut an ihre Ohren.
Sie hatte die Eingangstür aufgelassen und versuchte nun, in dem Haus etwas zu erkennen. Aus der Schwärze des Inneren hob sich eine Gestalt ab, dunkler als der Hintergrund. Groß und breit. Der Schatten stand schon nahe an der Haustür. Wieder dachte Michelle, dass diese Dinger so lauernd aussahen. Dann hob sich die Gestalt vom Boden ab. Sie sprang zu Michelle. Zu spät, um noch zu reagieren.
Sie fiel hart auf den Straßenboden, in ihrem Rücken spürte sie Vogelkadaver. Ihr Atem blieb weg. Der Schatten überdeckte ihren Körper und schien sich in ihre Haut zu krallen. Michelle schrie auf. Sie spürte eine warme Flüssigkeit an ihren Armen und Beinen. Der Schatten blieb auf ihr liegen und rührte sich nicht. Michelle starrte in seine undurchdringliche Schwärze, versuchte wieder vergeblich ein Gesicht zu erkennen, wenigstens Augen. Nichts. Nur der Schatten lag über ihr und ein Grunzen kroch aus ihm.
Jetzt werde ich sterben, dachte sie.
IV
In der Schwärze tat sich etwas. Die Gestalt lag weiter auf ihr und drückte Michelles Gliedmaßen auf den Asphalt. Eine Öffnung tat sich vor ihren Augen auf. Jedenfalls zuckten rote, helle Strahlen auf ihr Gesicht zu und bohrten sich in Wange und Mund. Sie drangen über ihre Zunge und den Gaumen in Speise- und Luftröhre. Michelle spürte die Kotze in sich aufsteigen, während die Strahlen tiefer eindrangen. Sie übergab sich, aber durch die Schwärze blieb es in ihrem Mund und Hals. An meiner eigenen Kotze krepieren, dachte sie. Das habe ich, verdammt nochmal, nicht verdient! HILFE!, schrie sie im Geiste. Hilf mir, Kathleen, hilf miiii...! Sie wollte strampeln, treten, sich herum wälzen, aber die Gestalt presste sich zu fest auf sie.
Michelle weinte. Trotz der Schwärze um sie nässten wieder Tränen ihre Wangen. Die Luft wurde ihr abgesaugt und das Erbrochene lag drückend in ihrem Mund und Hals. Es schmeckte so widerlich, dass sie sich erneut übergab, ihr Körper ein revoltierender Motor, und ihre Wangen blähten sich unter dem Druck. Die Schwärze der Gestalt mischte sich mit der Schwärze einer anstehenden Ohnmacht. Gleich ist es vorbei, dachte sie. Dann habe ich Ruhe.
Ein zischendes Geräusch drang an ihre Ohren und der Druck ließ langsam von ihr ab. Die Farbstrahlen entfernten sich von ihrem Gesicht und aus ihrem Hals. Sie kotzte und spuckte das Erbrochene auf den Asphalt, begann zu husten und nach Luft zu schnappen. Die Krallen entfernten sich aus ihren Gliedmaßen, eine wohltuende Leichtigkeit machte sich breit. Als sie aufblickte, sah sie, wie der Schatten sich auflöste. Er schrumpfte, bis schließlich nichts mehr von ihm übrig war.
Kathleen stand über ihr und lächelte.
"Alles in Ordnung, Michelle?"
Sie hustete, als sie antworten wollte, spuckte wieder und wieder zu Boden, um irgendwie den Geschmack aus dem Mund zu kriegen. Ihr Hals fühlte sich etwas geschwollen an, aber sie schien in Ordnung. Die Stellen an ihrem Körper, in die der Schatten sich gekrallt hatte, juckten, als würden sie schon verheilen.
"Ich denke schon“, sagte sie dann, „jetzt sind wir wohl quitt."
Sie schaute an ihren Beinen und Armen entlang. Winzige Löcher hatte der Schatten in ihre Kleidung gebohrt. Sie blutete nicht, aber ihre Hose war an zwei Stellen dunkler.
Kathleen streckte ihr eine Hand entgegen. Michelle ergriff sie dankbar und stellte sich mit der Hilfe ihrer
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