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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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über der Veranda hinter mir und begab mich in die – nicht totale – Dunkelheit der von Sternen beleuchteten Ebene. Für die nächste Zeit wären Jasper und ich unverzichtbar für Bangley, auch wenn er die Gruppe allein erledigt hatte. Mit links, im wortwörtlichen Sinne.
    Ich lief um den alten Gastank herum, der tagsüber grün war und jetzt schwarz aus dem dichten Salbeigestrüpp aufragte. Von ganz allein fanden meine Füße den ausgetrampelten Pfad, der in die Berge führte. Meinen Pfad. Den Pfad, den Jasper und ich im Laufe von neun Jahren getrampelt hatten, und Bangley auf dem Weg zu seinem Turm. Erie Airport hatte keinen Tower, es handelte sich um einen unbeaufsichtigten Flughafen, was bedeutete, dass die Piloten sich untereinander verständigt und geeinigt hatten, gemäß dem alten Protokoll. Bangley und ich hatten draußen auf der Hochebene unseren eigenen Tower gebaut, auf halbem Weg zum Gebirge, und von diesem Turm aus wurde getötet. Wir hatten zwei Monate gebraucht, um ihn zu errichten, größtenteils aus dem unter Mühen abgerissenen hässlichen, modernen Holzklotz auf der Piper Lane, der mich an eine Grundschule aus den siebziger Jahren erinnert hatte. Wir schafften das Holz mit seinem Pick-up, der damals noch lief, auf die Baustelle, und auf dem Anhänger, der bei Bangleys Ankunft voller Waffen gewesen war, Gewehre aller erdenklichen mörderischen Gattungen, voller Tretminen und Konservenbüchsen und Munition. Wir holten uns aus den vom Stromnetz unabhängigen Hangars am nördlichen Ende einen Generator, der mit Flugbenzin betrieben wurde, um elektrischen Strom für unsere Sägen und Bohrer zu haben. Bangley war weiß Gott kein Handwerker, und es war das erste und letzte Mal, dass ich ihn mit Begeisterung habe arbeiten sehen; inzwischen weiß ich, dass sein Eifer von der Aussicht auf die glatten, sauberen Distanzschüsse befeuert wurde, die er von hier aus mit seinem Scharfschützengewehr Kaliber . 408 abgeben würde. Er konnte es gar nicht abwarten, oben auf der Plattform zu stehen und die Sitzbank und die arretierbare Schwenkvorrichtung anzuschrauben, die er in stundenlanger Schreibtischarbeit selbst entworfen hatte. Dazu kam ein zweites fest angeschraubtes Gestell für sein Zielfernrohr und ein drittes für den Laserentfernungsmesser. Nichts davon – weder das Gewehr noch das Zielfernrohr noch den Entfernungsmesser – ließ er dauerhaft auf dem Turm zurück. Dort oben blieb lediglich der Windsack an einem eigenen Mast, hoch oben, wo ihn die von der Plattform verwirbelten Luftströme nicht stören konnten, und Bangleys ballistische Tabellen in einer hübschen Holzkiste mit Schwalbenschwanzverbindungen, die ich extra für ihn gezimmert hatte.
    Seine Lieblingsdistanz lag bei tausenddreihundert Metern. Nah genug, um einen tödlichen Treffer zu landen, aber weit genug, um seinen Ehrgeiz zu kitzeln. Was bedeutete, dass es auf dem Pfad eine ganz bestimmte Stelle gab, an der im Laufe der Jahre viele Menschen ihren allerletzten Blick auf diese triste Welt geworfen hatten. Die Stelle schwamm im wahrsten Sinne des Wortes in Blut. Die Erde und der Sand zwischen dem hohen Salbei zur Linken und dem Hasenpinselgestrüpp zur Rechten waren schwarz eingefärbt von den Mineralien vergossenen Blutes, so befleckt wie eine Einfahrt, auf der jemand regelmäßige Ölwechsel durchführt. In jener Nacht legte ich die fast sieben Kilometer in weniger als einer Stunde zurück. Ich merkte nichts von der Strecke und nichts von der Zeit. Meinem Kalender zufolge handelte es sich um die Nacht des 21 . April, der meines Wissens keine Tagundnachtgleiche und keine Sonnenwende markiert, für mich aber von besonderer Bedeutung ist, so wie jeder 21 . des Monats. Außerdem handelte es sich um Melissas Geburtstag. Sie mochte keine Partys, deswegen feierten wir nie welche. Wir gingen gemütlich essen, normalerweise Sushi, was Melissa unglaublich dekadent fand, sich aber trotzdem zweimal im Jahr gönnte. Zuletzt waren ihre Lieblingssorten ausgestorben, der Thunfisch, die Makrele und der Wildlachs, und die Preise für die verbliebenen Arten zogen irgendwann so an, dass wir nicht mehr gingen.
    Ich schenkte ihr immer ein Buch. Ein altes, in Leinen gebundenes aus jener Ecke des Antiquariats, wo man die Hardy Boys und Nancy Drew und angegammelte, vollgekritzelte Ausgaben des Hobbit finden konnte. Die bunten Schutzumschläge waren meistens eingerissen oder fehlten ganz. Oft war das Motiv des Umschlags auf den Leineneinband eingeprägt, ein

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