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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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bisschen einsam und muss auch nicht mit dem unerträglichen Gedanken leben, gemordet zu haben und wieder morden zu müssen. Ich bin derjenige, der alles überfliegt und darauf herabschaut. Nichts kann mich berühren.
    Niemand, dem ich es erzählen könnte, und doch scheint es wichtig, das Bild festzuhalten. Das Bild von der Realität und von dem Gefühl, ihr zu entkommen. Die Einsicht, dass es sogar jetzt manchmal zu schön ist, um erträglich zu sein.
    Außerdem frage ich mich, wie Bangley und seinesgleichen gestrickt sind. Er scheint sich in seiner Einsamkeit so geborgen zu fühlen wie ein Ton, der in einer Glocke schwingt. Er will es so. Er verteidigt sie mit seinem Leben. Er lebt dafür, sie zu beschützen, so wie ein Wanderfalke dafür lebt, andere Vögel mitten im Flug abzugreifen. Er redet nicht darüber, was der Tod und die Schönheit einander antun, in seinem Herzen.
    In der ersten Woche nach seiner Ankunft nahm ich ihn im Flugzeug mit. Er wollte sich ein Bild vom Gelände machen, von unseren Schwachpunkten. Er quetschte sich auf den Copilotensitz und ich gab ihm ein Headset, damit wir uns unterhalten konnten. Ich flog Schleifen und stieg immer höher, wie ein Falke. Es war ein klarer Morgen, alle Rinnen und Kanäle lagen noch im Schatten, und ein Schwarm Möwen schoss als weißer Bausch zwischen uns und der Erde durch. Nach gut fünfzehn Kilometern und auf dreihundert Metern Höhe rief er:
    Druiden. Geh runter!
    Ich hatte das Wort noch nie gehört.
    Ich habe sie auf dem Weg getroffen, sagte er. Sie haben die Blutkrankheit. Ich hab sie von Weitem angeschrien. Habe zwei von ihnen erschossen, die mir zu nah gekommen sind. Ich wünschte, wir hätten jetzt Benzin dabei!
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Was für ein Schock. Sie hatten mir die Geschichte nie erzählt, aber woher hätten sie auch ahnen sollen, dass er bei mir eingezogen war. Dass er mein Partner war.
    Ein paar der zerlumpten Kinder kamen aus dem Truthahnschuppen gelaufen und winkten und hüpften auf und ab. Bangley drehte seinen zusammengekrümmten Oberkörper auf dem engen Sitz, um mich anzusehen.
    Die kennen dich?
    Jupp. Ich helfe ihnen. Das sind keine Druiden, sondern Mennoniten.
    Ich spürte seinen Blick auf meinem Profil, und dann nicht mehr. Für den Rest des Fluges schwieg er, sogar als wir uns dem Gebirge näherten, wo der Neuschnee wie Puderzucker über die Kämme geblasen wird.

III
    Ich frage mich also: Woher dieses Bedürfnis zu erzählen?
    Um die tödliche Starre dieser überwältigenden Schönheit zu beleben. Um Leben einzuhauchen.
    Vielleicht einfach nur, um Bangley etwas entgegenzusetzen, der alles töten will, was sich bewegt.
    *
    In der Nacht des einseitigen Feuergefechts, bei dem ich nicht dazu kam, auf den Abzug zu drücken, lief ich schnurstracks an den westlichen Hangars vorbei und dann immer weiter. Jasper hatte eine gute Nase, und ich wusste, dass er mir einfach folgen würde, sobald er sich Sorgen machte. Ich wollte ihn nicht von seinem Festmahl zurückpfeifen, und ich kannte Bangley gut genug, um zu wissen, dass er für heute zu viel getötet hatte, um sich an meinem Hund zu vergreifen. Ich hatte kein Nachtsichtgerät, keine Waffe. Bangley ist immer bewaffnet. Bestimmt auch im Bett. Ich habe ihn noch nie schlafen sehen, und jetzt fragte ich mich, wie viele Nächte er damit zugebracht hat, uns unten an der Böschung beim Schnarchen zuzuschauen. Ich fand vieles an dem Mann gruselig, aber das war das Allerschlimmste, dieses Gefühl, unablässig beobachtet zu werden. Ich habe mich daran gewöhnt, so wie die Cree in Kanada sich an die riesigen Mückenschwärme gewöhnt haben. Ich lebe noch. Trotzdem ist da diese diffuse Angst: Falls er jemals zu der Einsicht käme, dass die Attacken nachließen und die Angreifer weniger wurden und er in der Lage war, den Flughafen allein zu halten, oder falls ihm meine regelmäßigen Besuche bei den Familien als zu großes Risiko erschienen, könnte er uns beide töten, mich und Jasper, ganz ungehindert mit zwei bequemen Schüssen von seiner Veranda. So gesehen bin ich verrückt, draußen im Freien zu schlafen. Allerdings hätte Bangley unzählige Möglichkeiten gehabt, mich zu töten, wenn er es denn vorgehabt hätte. Deswegen beschloss ich gleich zu Anfang, Mr. Tod nicht mehr in meine Berechnungen miteinzubeziehen.
    So kam es, dass der Besuch der Angreifer mein Überleben zumindest für die nächste Zeit garantierte. Ich passierte die äußeren Hangars im Westen, ließ die einsame Lampe

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