Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
und im Schatten des Hangars fast winterkalt. Ich hatte den Holzofen angeschmissen und Wasser aufgesetzt, ich kochte Tee aus getrockneten Sommerblüten, die ich in einem Glas aufbewahrte: wilde Erdbeeren, Brombeeren, Pfefferminz. Ich setzte mich in den Valdez , einen Fernsehsessel, den ich aus dem Fernsehzimmer einer der Villen geschleppt hatte. Der Sessel war nach dem Öltanker benannt, der auf Grund aufgelaufen war und seine Ladung vor der Küste Alaskas verteilt hatte.
Es handelte sich um einen Zweisitzer mit einem Hebel an jeder Seite und feinstem Kalblederbezug. Vermutlich für ein Ehepaar gedacht, aber nun saßen Jasper und ich drauf. Das Leder war unglaublich weich. Auf Jaspers Seite legte ich ein Erbstück, eine blau-gelb gemusterte Patchworkdecke mit einem sich wiederholenden Muster einer Holzhütte aus Rechtecken und Dreiecken aus bedrucktem Stoff. Jedes Häuschen war anders, aber aus allen Schornsteinen erhob sich der gleiche Rauchkringel. Mit Paisleymuster, mit Punkten oder bunten Streifen, so dass man den Eindruck eines hübschen Dorfes bekam, das sich auf einer Landschaft aus geometrischen Feldern und blühenden Wiesen ausbreitete, das Ganze zu einer späten Stunde, wenn jedermann in seinem Häuschen vor dem warmen Kaminfeuer saß. So wie Jasper und ich. Der Anblick war tröstlich, so wie das weiche Leder und die Hitzewellen aus dem Ofen. Ich lehnte mich halb zurück, einen Tee in der Hand.
Ich konnte mir fast einbilden, es wäre früher, und Jasper und ich irgendwo auf einer verlängerten Reise und im Begriff, bald wieder nach Hause zu fahren. Ich konnte mir einbilden, dass ich mein Leben zurückbekommen würde, dass wir nicht die Nachwehen einer großen Katastrophe miterlebten. Dass wir nicht alles außer unserem Leben verloren hatten. Es war dasselbe Gefühl wie gestern im Garten. Manchmal packte mich die Einsicht, dass es ganz okay war so, wie es war. Dass Schönheit immer noch kaum zu ertragen war, und dass ich meinen Frieden machen könnte, so lange ich von Augenblick zu Augenblick lebte, im Garten und am Herd und im Flugzeug.
Es war, als führte ich ein Doppelleben, und die Verdopplung bestand in der ansteckenden Hartnäckigkeit des Lebens, das sich mit seinen Blau- und Grüntönen über die Grauschattierungen des Todes legte. Ich konnte zwischen beiden hin- und herschalten, ich konnte sie genauso mühelos betreten und verlassen, wie ich aus dem kalten Schatten des Hangars in die Sonne treten konnte. Beziehungsweise bewegte ich mich nicht selbst, sondern schaute nur zu, wie der Schatten über mich hinwegzog wie eine Wolke, die mir vorübergehend eine Gänsehaut an den Armen bescherte.
Leben und Tod bedingten einander. Das wurde mir klar. Der Tod war ein Teil von uns. Er wartete nur auf eine warme Nacht, auf den Fehler im System, er war ein Käfer im sterbenden, schwarzen Holz oben in den Bergen. Und im Tod verbarg sich das Leben, ansteckend und hartnäckig wie ein Grippevirus. So gehörte es sich.
Es war die Erinnerung, die mich immer wieder umhaute. Ich versuchte angestrengt, mich nicht zu erinnern, und trotzdem erinnerte ich mich die ganze Zeit.
Spencer, so hieß er. So sollte er heißen. Sophie für ein Mädchen. Sehr britisch. Im sechsten Monat beschlossen wir, uns das Geschlecht verraten zu lassen. Melissas Vorfahren waren Schotten. Waren aus Melrose rübergekommen, als sie sieben war, und hatten sie in Denver in die Grundschule gesteckt, wo sie vor der Klasse stehen und Wörter wie arithmetisch aufsagen musste. Ihr Akzent ließ die anderen Kinder kichern und die Lehrerinnen vor Entzücken dahinschmelzen. Melissa hat gesagt, sie hätte den Akzent nach zwei Monaten vollständig abgelegt. Hätte sich angepasst, wie es nur Siebenjährige können.
Der Name ihres Vaters.
Keine Übelkeit, kein einziges Mal, die ganze Zeit nicht. Nie war ihr schlecht gewesen. Nie hatte sie nach Eiscreme oder sauren Gurken verlangt.
Die Jagd gefiel ihr nicht, aber sie angelte gern. Sie begleitete mich auf meine Angeltouren, wann immer sie konnte. In mancher Hinsicht war sie noch besser als ich. Sie konnte die Schnur nicht so weit und so punktgenau auswerfen wie ich, aber sie konnte sich besser in eine Forelle hineinversetzen als jeder andere Mensch, den ich kannte. Sie stand am Ufer und atmete einfach nur und beobachtete die Insekten, die aus dem Schatten ins Sonnenlicht tanzten und zurück.
Manche Spinner veranstalteten solche Sachen wie: dem ersten Fisch mit einem Gummiklistier den Magen auspumpen und
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