Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
Sie konnte nur noch atmen. Ihre Hand kratzte über meinen Handrücken wie eine Klaue, so als wollte sie mich packen, vergeblich.
Nimm das Kissen.
Ich starrte sie an.
Hig. Drei, vier Atemzüge, so wenig Sauerstoff bekam sie noch. Bitte.
Ihre Augen glasig, aber immer noch blau-grau. Wie ein klarer See an einem wolkenverhangenen Tag, hatte ich immer gesagt, aber als sie jetzt versuchten, sich auf mich zu richten, verdunkelten sie sich.
Bitte.
Bitte.
Ich schaute mich in dem mit Betten vollgestellten Krankensaal nach einem Arzt oder einem Pfleger um, in dem verzweifelten Versuch, Zeit zu schinden, aber auch die Helfer waren inzwischen fast alle krank oder fingen an zu husten und zu erbrechen. Wie im Vorhof der Hölle. Keiner von ihnen war zu sehen. Da war nur der Gestank, der Lärm von Husten und Krankheit.
Ihre Finger kratzten über meine Hand, ihre Augen ließen mein Gesicht nicht los.
Ich schob eine Hand an ihren Hinterkopf und zog sanft das Kissen raus, legte ihren Kopf auf das fleckige Laken, und dann legte ich das Kissen an ihre Stirn und sagte: Ich liebe dich. Mehr als alles in Gottes Universum. Und sie sah mir in die Augen und sagte kein Wort, und dann bedeckte ich ihr Gesicht. Das Gesicht meiner eigenen Frau. Ich nahm das Kissen.
Sie bäumte sich zweimal auf, strampelte und kratzte kraftlos, erschlaffte. Das Lärmen in der Halle hörte nicht auf, das Stöhnen und Husten. Hörte nicht auf.
Ich habe sie geliebt.
Damit muss ich jetzt leben.
Das helle Mondlicht vor meinem Lager
hab ich im Augenblick für Reif genommen.
Ich sehe auf zum Mond, senke das Haupt:
mir ist die Heimat in den Sinn gekommen.
Bangley sagte: Was ist los mit dir, Hig? Bist du im Arsch?
Ich schüttelte mich. So, wie Jasper es immer tut.
Es ist nichts.
Vielleicht brauchst du mal Ferien, Hig. Zu viel Gartenarbeit. So wie ich das sehe, ist der Mensch nicht für Gartenarbeit gemacht. Das ist noch nie gutgegangen.
Mit Ferien meinte er, sich in die Hängematte zu legen, die ich im Schatten des Hauses aufgehängt hatte. Zwischen zwei malerischen Bäumen. Einer Fichte und einer Zitterpappel, die mir hier draußen auf der Prärie immer ein bisschen verloren vorkamen, so als würden sie ihre Arme sehnsüchtig den Bergen entgegenrecken, in die sie gehörten.
Ich holte Luft. Ja, vielleicht hast du Recht. Hör mal, ich muss da rauf. Falls da Elche sind. Jesus, dann wären wir die Könige!
Wir sind die Könige, Hig. Hat bis zum Ende der Welt gedauert.
Er fing an zu lachen. Es klang heiser, ein bisschen röchelnd. Unangenehm.
Das Ende der Welt musste kommen, nur damit wir Könige sein können. Was, Hig? Wir sind die Herren unseres Schicksals. Ha!
Und dann musste er so richtig husten. Ein kleiner Anfall. Als er sich wieder erholt hatte, sagte er: Tu, was du nicht lassen kannst. Geh ein bisschen angeln. Erhol dich. Entspann dich. Jag den Phantomelch. Aber bring auch einen Hirsch mit, ja, Hig? Irgendwas, das wir essen können.
Er lächelte mich an, starrte mir ins Gesicht mit Augen, die blitzten wie Kiesel am Grund eines Bachlaufs.
Aber nicht mehr als drei Tage. Ich meine es ernst. Jeder Tag, an dem du nicht da bist, sind wir angreifbar.
Ich legte den Kopf schief und sah ihn an. Er hatte zum ersten Mal meine Nützlichkeit eingeräumt.
Ich schlafe dann nicht so gut. Ehrlich gesagt.
Er hustete noch ein bisschen mehr und spuckte vor dem Hangar aus. Na dann, viel Glück, sagte er und stapfte davon.
Er schlief nicht so gut, wenn ich weg war. Wie eine Ehefrau. Verdammter Bangley. Gerade als ich dachte, dass ich ihn am liebsten loswerden würde.
*
Wir brachen am nächsten Morgen im Dunkeln auf. Wir würden die ersten dreizehn Kilometer unter dem kalten Sternenhimmel zurücklegen und es zu den Bäumen schaffen, wenn die Luft grau und körnig wurde. Ich packte Vorräte für drei Tage ein, obwohl ich damit rechnete, länger unterwegs zu sein, nur für den Fall, dass wir den Elch fanden. Bangley würde damit leben müssen. Ich hätte den Rucksack in den Schlitten legen können, aber ich hatte leicht gepackt und trug ihn lieber auf dem Rücken, damit der Schlitten auf dem Hinweg fast gewichtslos war. Ich kannte alle Wasserläufe und Kanäle, deswegen packte ich nur zwei Wasserflaschen ein.
Ich beschloss, einen letzten Kontrollflug zu machen. Erstens, um die Jagd vorzubereiten, und zweitens, um Bangley einen weiteren Tag Sicherheit zu geben. Der Nachmittag war klar, nur eine leichte Brise wehte von den Bergen rüber, in der Sonne war es warm
Weitere Kostenlose Bücher