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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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wäre, aber Erie für mindestens eine halbe Stunde unbewacht ließe.
    Jasper sitzt aufrecht auf dem Copilotensitz, und wir rollen an der langen Reihe der am Boden festgemachten Flugzeuge vorbei. Alle haben platte, brüchige Reifen, und der Hagel hat viele Scheiben eingeschlagen. Die Seile hat das Wetter im Laufe der Jahre ausgeleiert, bei starken Winden reißen sie, und dann kippen die Flugzeuge um oder rollen in ihre Nachbarn hinein oder noch weiter. Im letzten Frühjahr hatten wir einen starken Sturm, eine Super Cub riss sich los und landete im Fenster im ersten Stock einer der schicken Villen auf der Piper Lane jenseits des Rollfelds, was ich sehr passend fand. Das grüne Straßenschild ragt in die Höhe wie ein vor langer Zeit aufgestellter Grabstein.
    Warum fliege ich keine der Super Cubs oder Huskies? Ein schmales Tandem (ein Sitz vorne, einer dahinter), das wendiger ist, das steil runterkommen und auf kurzer Strecke starten und landen kann, praktisch auf einem Tennisplatz. Warum fliege ich eine achtzig Jahre alte Cessna mit vier Sitzen?
    Weil die Sitze nebeneinander sind. Weil Jasper mein Copilot ist. Das ist der wahre Grund. Während der gesamten Flüge rede ich mit ihm, und es amüsiert mich königlich, dass er die ganze Zeit so tut, als höre er mir nicht zu.
    Wir rollen zwischen den Reihen durch. Ein paar schöne alte Flugzeuge stehen hier. Die bunten Streifen, die langsam verblassen, das Blau und das Gold und das Rot. Die Ziffern. Eine der Maschinen habe ich selbst geflogen, ein kleines, selbstgebautes Einzelstück mit herunterziehbarem Glascockpit, das mit gesenkter Nase auf dem Asphalt hockt wie ein einsamer Vogel. Die auf den Rumpf aufgemalten US-Air-Force-Sterne hat die Sonne zu verwaschenen Spritzern verbrannt. Das Flugzeug wurde vor langer Zeit von einem Freund von mir konstruiert, Mike Gagler. Ein Buschpilot aus Alaska, der große Jets für kommerzielle Fluglinien flog und in seiner Freizeit Flugzeuge baute. Er machte alles anders als die anderen, schon aus Prinzip. Er starb ganz zu Anfang mit seiner Familie in dem gelben Haus, das ich von der Schwelle meines Hangars aus sehen kann. Er weigerte sich, ins Krankenhaus zu gehen, er sagte, das wäre nur ein Trick der Behörden, um die Sterbenden an einem Ort zu versammeln. Er war der Letzte in seiner Familie, der starb, aus reiner Willenskraft hielt er durch, weil seine Frau und seine beiden Töchter nicht allein sterben sollten. Ich habe die vier begraben, mit dem Schaufelbagger des Flughafens, der seinerzeit noch funktionierte.
    Am Anfang flog ich mit Mikes RV- 8 durch die Gegend. Die reinste Spritverschwendung. Ich ließ den ängstlichen und einsamen Jasper an der Benzinpumpe zurück und stieg steil zur Sonne auf, ich riss am Steuerknüppel, bis der Himmel sich unter mir wegrollte und der Horizont sich von oben in mein Sichtfeld schob wie das Visier eines Helms. Große, langsame, Übelkeit erregende Loopings und schnelle Überschläge. Ich tat das nur, weil ich sonst nichts zu tun hatte.
    Dann dröhnte ich in drei Metern Höhe über die Landebahn und sah, dass Jasper wie angewurzelt an der Benzinpumpe saß und mir mit den Augen folgte; und obwohl ich so langsam flog, wusste ich, dass er sich Sorgen machte, dass er fürchtete, ich könnte verschwinden, so wie alles andere aus seinem Leben verschwunden war, deswegen hörte ich auf damit.
    Der Windsack auf dem Turm schlägt nach Norden aus, bläht sich träge wie in Zeitlupe. Auf dem Rollfeld biegen wir trotzdem nach Süden ab, ich gebe Gas und wir steigen auf. Wenn alle anderen gestorben sind, ist es so, dass man sich nicht mehr an die vorgeschriebenen Startbahnen halten muss.
    Nichts ist mehr vorgeschrieben. Wenn es Bangley nicht gäbe, hätte ich längst meinen Namen vergessen.
    *
    Ich überlege mir, eine große Runde zu drehen und einen Abstecher für eine Cola zu machen. Wir kundschaften die Wiesen südlich von Nederland aus, fliegen unterhalb des höchsten Grats der Rockies entlang, fliegen eine Spirale zurück. Wir kontrollieren die Straßen und die beiden Pfade, so lange das Licht noch gut ist, nur um sicherzustellen, dass Bangley aus diesen drei Himmelsrichtungen keinen Besuch zu erwarten hat, und dann landen wir beim Getränkemarkt und laden ein paar Kisten ein. Bis Greeley sind es von hier nur acht Flugminuten. Ein Friedensangebot aus aufgeblasenen Dosen und Plastikflaschen. Im Licht der Stirnlampe erkenne ich einen Stapel Dr. Pepper ganz hinten auf der Ladefläche. Vielleicht wäre das der

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