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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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grinste. Das kleine Mädchen hing am Rock der Mutter und fing wieder zu lächeln an.
    Habt ihr die Flagge gehisst?
    Aaron nickte. Zum letzten Mal hatten sie mich eine Woche nach der letzten Sprite gerufen. Die solarbetriebene Wasserpumpe, mit der sie das Wasser vom Fluss auf ihre Felder umleiten, war ausgefallen. Es hatte nur an einer kaputten Sicherung gelegen, aber sie hatten keinen Ersatz gehabt, deswegen war ich am nächsten Morgen noch einmal zurückgekommen. Nun trat eine große Frau vor. Sie war wunderschön, zumindest ihr halbes Gesicht. Bei ihr hatte die Krankheit noch nicht voll zugeschlagen. Ihr Gesicht war furchtbar verbrannt worden, bei einer Art Gasexplosion. Beim Sprechen wandt sie das Gesicht halb ab und betrachtete ihr Gegenüber von der Seite, schien mit der Luft zu sprechen. Sie hieß Reba, so wie die Countrysängerin von früher, und auch sie konnte singen, ich hatte sie gehört. Sie hielt mir einen eingerissenen Plastikeimer hin, und ich nahm ihn an, von Hand zu Hand, zum ersten Mal überhaupt, und darin sah ich leuchtend grünen Frühsalat.
    Rekordernte, sagte Aaron. Ich kann mich erinnern, dass Sie mal meinten, Sie hätten keinen mehr, aus irgendeinem Grund. Da dachten wir uns. Er beendete den Satz nicht.
    Ich lächelte. Ich ging in die Hocke und streckte die Hand nach dem kleinen Mädchen aus, das mir die Blumen gegeben hatte.
    Nur zu, sagte ihre Mutter.
    Sie streckte ihre kleine dreckverschmierte Hand aus, und ich griff danach und drückte sie ganz leicht und lächelte. Ich sah in ihre haselnussbraunen Augen, die ein bisschen blutunterlaufen waren, weil in ihr der Immunkrieg tobte, und ich hielt ihre winzigen Finger für lange Zeit fest, ich hielt mich daran fest wie ein Ertrinkender an einem Seil.
    *
    Die Bohnen keimten schon, winziggrüne Kringel dicht über der Erde. Das Wasser lief durch die Gräben. Ich erklärte Bangley, ich müsse nochmal los.
    Wir standen in seiner Werkstatt, im abgesenkten Wohnzimmer einer der Fertigbauvillen nördlich meines Hangars. Durch die riesige Panoramascheibe hatte man einen guten Ausblick nach Westen, über die Landebahnen hinweg zu den Bergen. Es handelte sich um eine klassische Büchsenmacherwerkstatt, schlicht und ergreifend. Bangley machte keinen Hehl daraus, nichts von Motoren zu verstehen, von Holz und Zimmermannsarbeiten, von Landwirtschaft – ganz besonders nicht von Landwirtschaft –, von Gartenarbeit, Kochen – ganz besonders Kochen –, Fremdsprachen, Geschichte, von Mathematik, die über Arithmetik hinausging, von Mode, Sattlerei. Von Rommee, Nähen und Konversation – von Anstand, von den Gepflogenheiten eines respektvollen Umgangs.
    Spuck’s aus, Hig, sagte er gerade in diesem Moment zu mir. Spuck es aus und rede verdammt noch mal nicht um den heißen Brei herum. Wir sind hier ganz allein, ha ha! Keiner, den du beeindrucken müsstest.
    Nur mit Schusswaffen kannte er sich aus. Wie man sie umbaut, optimiert, und er war in der Lage, selbst welche zu bauen, aus Rohren und Alteisen. Als er eines Nachmittags am Flughafen aufgetaucht war, lagen in dem Anhänger hinter seinem Pick-up eine Bohrmaschine, ein Schweißgerät, ein Generator, eine Schleifmaschine und eine Bandsäge. Als ich ihn darauf hinwies, dass all diese Fähigkeiten – Schweißen, Löten, Härten – Voraussetzung für viele Handwerksberufe waren, stieß er sein röchelndes Lachen aus.
    Für so was hab ich keinen Sinn, sagte er nur.
    Außerdem hatte er fünfzig Poster mitgebracht, Mädchen im Bikini oder mit noch weniger, dafür mit verschiedensten Schusswaffen und Schärpen der großen Hersteller für Kleinkaliberwaffen, von Colt über Sig bis Winchester. Er hatte sie an die mit Walnussholz vertäfelten Wände getackert, wo gerahmte Gemälde hingen. Gehangen hatten. Manche Poster klebte er sogar an die Fenster. Die Mädchen ballerten mit Maschinengewehren um sich und hielten die Faustwaffen schussbereit gesenkt wie ein Feigenblatt, machten sich manchmal überhaupt keine Mühe mehr, ihre totale Nacktheit zu verbergen. Die Qualen, die sie mir verursachten – ich meine, der Anblick dieser unbekleideten Frauen schnürte mir im wahrsten Sinne des Wortes die Kehle zu, so dass ich meine Besuche bei Bangley auf ein Mindestmaß beschränkte. Ha. Wenn ich doch einmal rüber musste, begrüßte ich ihn lautstark schon aus fünfzig Metern und wartete auf ein Zeichen, auf eine Einladung. Ich versuchte, ihm beizubringen, es vor meinem Hangar genauso zu machen, auch wenn ich wusste, es war

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