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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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Gesichtshälfte. Ich zuckte zurück. Die zweite pfiff dicht über meinem Kopf vorbei. Scheiße.
    Ich blinzelte. Hatte Steinstaub in den Augen. Jetzt brannte auch meine rechte Wange. Ich befühlte meine Schläfe. Kein Blut diesmal. Blöder Opa! Das war jetzt das zweite Mal. Der alte Mistkerl hatte mich in die Zange genommen, und wenn ich nicht aufpasste, traf er beim nächsten Mal genau in die Mitte.
    Ich hörte Bangley lachen. So als läge er einen Meter neben mir. Er lachte mich durch den Äther aus wie ein nicht ganz so guter Geist.
    So ein Mist, was? Nun steckst du in der Klemme. Wolltest dich bloß anfreunden, und jetzt musst du ihn vielleicht erschießen . Er lachte lang und dreckig.
    *
    Er hatte nicht Unrecht, der alte Bangley, mein strategisches Über-Ich. Der alte Mistkerl da unten war ein verdammt guter Schütze. Gut im Sinne von professionell, wie Bangley. Er hätte mich fast mit der Schrotflinte runtergeholt, so als wären das Biest und ich eine riesige Krickente mit blauen Flügeln. Nicht schlecht.
    Warum war ich so aufgedreht? Irgendwie machte meine Zwangslage mich glücklich. Eigentlich war es ja gar keine Zwangslage. Ich hätte jederzeit weggehen können. Aber. Auf einmal sah ich vor meinem geistigen Auge einen weißen Stofffetzen, der an einem Stock über dem Abgrund flatterte. Ich könnte ihn schwenken wie im Western. Bei uns am Flughafen hatte das nie jemand versucht, weil es A) immer Nacht war und B) ich beziehungsweise Bangley alle Besucher über den Haufen schoss, noch bevor die überhaupt merkten, was los war. Was wäre passiert, wenn jemand es versucht hätte? Nie verhandeln. Bangley hätte die Situation strategisch vorbildlich gemeistert, hätte ihnen zugerufen: Okay kommt raus , und dann hätte er ihre Köpfe weggesprengt, der gute alte Bangley.
    Ja, das würde mein Urvertrauen tatsächlich auf die Probe stellen, außerdem wäre ein Erfolg keineswegs garantiert. Außerdem hatte ich nichts Weißes dabei.
    Ich kroch rückwärts, stand auf und streckte mich. Ich fühlte mich so erfrischt, als hätte ich ein Nickerchen gemacht. Dann trabte ich zum Biest zurück. In der Sitztasche hinter mir bewahrte ich immer einen Stapel Kopierpapier und ein paar Wachsmalstifte auf. Außerdem ein paar faustgroße Steine und Gummibänder. Nur für den Fall, dass ich irgendwem, im Normalfall den Familien, eine Nachricht runterwerfen musste. Manchmal warf ich Wanderern eine Nachricht runter, die draußen an der Straße zu nah am Flughafen kampierten und die meinen Himmelsrichtungs-Ohrwurm nicht zu verstehen schienen: Geht zurück nach Norden oder sterbt usw. Und auch eine Dynamitstange nicht. Die Nachrichten, die ich um die Steine wickelte und aus dem Fenster warf, waren kurz und bündig und sehr drastisch und verfehlten ihre Wirkung nie. Die Macht des Wortes. Ich war immer sehr stolz auf mich, wenn ich wieder mal einen Vierzeiler entworfen hatte, der eine hartgesottene Piratenbande davon überzeugen konnte, ihre Siebensachen einzupacken und schnellstens zu verschwinden. Ich holte ein halbes Dutzend Blätter und einen schwarzen Stift heraus, nahm Jaspers Decke und trottete an die Felskante zurück.
    Ich musste grinsen. Ich konnte fühlen, wie die Grimasse meine brennenden Wangen dehnte. Ich kauerte mich an die Kante der Schlucht und schrieb auf ein Blatt im Hochformat ein riesiges: Ich.
    Die Lust am Schreiben. Ich erinnerte mich daran, dass Dylan Thomas manchmal ein einziges Wort eines neuen Gedichts aufgeschrieben hatte und dann zum Pub gelaufen war, um sich zur Feier des Tages zu besaufen. Weil er den Bann des Schweigens gebrochen hatte.
    Na ja. Mal sehen, ob es funktionierte, bevor ich weitere Blätter vergeudete. Ich kroch und schob mich bis an die Felskante, wo sich dankbarerweise ein Vorsprung bildete, eine scharfe Kante, hinter der es steil abwärts ging, falls sie nicht sogar noch über den Sandstein hinausragte. Ich achtete darauf, meinen kostbaren Kopf aus der Schusslinie zu halten, streckte den Arm aus, schob die Decke über die Kante und rollte sie aus wie eine Flagge. Ich achtete darauf, dass der Jäger und der aufflatternde Fasan und der Hund nicht auf dem Kopf standen, und darauf, dass meine Finger nicht über die Kante ragten.
    Seit Jahren hatte ich mich nicht mehr so gut amüsiert, vom Angeln vielleicht mal abgesehen, und ich glaube es lag daran, dass es ein bisschen so wie angeln war, außer dass diesmal am Ende der Schnur zwei Menschen waren. Fangen und freilassen.
    Sobald die Decke von der Kante

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