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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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das jetzt? Du hast gerade dringlichere Fragen zu lösen, nämlich: Was zur Hölle willst du hier erreichen, Hig?
    Im Canyon wurde es dunkel, und ich schauderte. Eine Wolke schob ihren Schatten über die Felsschlucht, ein aufgequollener Kumulus, der die letzte Kälte des langen Winters in sich trug. Der Schatten roch nach Gelbkiefer. Er zog vorbei, und das Sonnenlicht glättete die Gänsehaut an meinen Armen. Es war gemütlich, so zwischen den Felsen eingeklemmt zu liegen. Ich hörte eine Goldaugenbremse summen, ließ mich aber nicht stören. Auf einmal merkte ich, dass ich die Stirn auf meine sonnengerösteten Arme legen und problemlos einschlafen könnte. Meine Nase war nur wenige Zentimeter vom Boden entfernt. Ich beobachtete eine Ameise, die am Stängel einer lila Aster raufkletterte. Hier oben roch es wirklich gut. Nach Feuerstein, jungem Gras und Holzspänen.
    Hig!
    Äh, ja, was ist denn?
    Konzentrier dich, verdammt. Zieh deinen Kopf aus dem Arsch. Jede Minute, die du hier ohne einen verdammten Plan rumliegst, macht dich verwundbarer. Und das Flugzeug auch! Vielleicht haben sich die da unten längst auf den Weg herauf gemacht, um dich armen Trottel auszukundschaften. Um sich zu überlegen, wie sie die Bedrohung namens Hig am einfachsten ausschalten. So, wie wir es auch machen würden an ihrer Stelle, und zwar zackig. Stattdessen liegst du hier ungeschützt rum!
    Hä?
    Verdammt, daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich schnaubte, fast hätte ich einen Pfiff ausgestoßen. Was war los mit mir? War ich so verpeilt? Hatte ich völlig den Verstand verloren?
    War ich jemals auf Draht gewesen?
    Hig!
    Was?
    Weißt du, warum du so müde bist? Warum du dich am liebsten hier ausstrecken und bis heute Abend ratzen würdest?
    Warum?
    Weil du verdammt nochmal keinen Plan hast! Du brauchst ein Ziel. Ich hab’s selbst gesehen, Hig. Als du beispielsweise das Ziel hattest, den neun plündernden Lumpen zu entkommen und ihnen den Marsch zu blasen, da hast du dich verdammt geschickt angestellt. Das war Hig in Bestform! Aber du hast keinen Schimmer, was du hier willst. Du benimmst dich wie ein verdammter verirrter Welpe. Ein Blick auf eine große Frau, die vielleicht die Krankheit nicht hat, und schon bist du gaga, verdammt.
    So ist es nicht.
    Warum riskierst du dann das Flugzeug? Ich hab dein kleines Manöver gesehen. War verdammt knapp! Du riskierst wohl alles für einen näheren Blick auf eine Spalte, hm? Was, wenn sie nicht auf Männer steht, ist dir das schon in den Sinn gekommen?
    Schlimm genug, für was Altbekanntes Kopf und Kragen zu riskieren, das will er mir damit sagen.
    Und dann dachte ich: Viel wahrscheinlicher ist doch, dass man Kopf und Kragen für was Unbekanntes riskiert. Für irgendeine verdrehte Idee.
    Ich hab’s dir gesagt, Hig: Fang in einer taktischen Klemme zu philosophieren an, und die machen Toast aus dir.
    Toast.
    Klang gut. Zwei Stück hell angerösteter Toast mit Butter und Marmelade. Hatte seit neun Jahren keine Butter mehr gehabt, Milch auch nicht. Jede Wette, die Kühe da unten gaben jede Menge süße, warme Milch, ein- oder zweimal am Tag? Ich ließ das Zielfernrohr zur Wiese sinken, um nach einem geschwollenen Euter Ausschau zu halten, und da war eins. Und dann hatte ich einfach Glück: Er hatte nicht bloß eine Schrotflinte, sondern mindestens auch noch ein Jagdgewehr, natürlich, denn was ich da eben hatte aufblitzen sehen, war sein Zielfernrohr. Ganz kurz nur. Lang genug, um ihn zwischen den Rohrkolben am Ufer orten zu können, auf der Seite der Weide, nicht auf der Hausseite. Genau an der Stelle war ein riesiger Sandsteinfelsen runtergekommen, und an dem lehnte er jetzt. Genau so, wie ich es auch gemacht hätte. Dieselbe Strategie, die wir am Flughafen verfolgten: Das Haus war der Köder. Er – oder sie beide – versteckte sich so, dass er die Fläche zwischen dem Bach und dem kleinen Steinhaus einsehen konnte. Und alles in Schussweite. Ein Schuss mit der Doppelflinte würde reichen, um so gut wie jeden Angreifer auszuschalten. Und dann hatte er – hatten sie – auch noch ein Gewehr für Distanzschüsse. Oder für danach. Sie. Sobald ich ihn geortet hatte, konnte ich den Lauf des Jagdgewehrs erkennen, dunkler und gerader als das Schilfrohr, und den dunklen Haarschopf der Frau. Sie hatte das zweite Gewehr. Die Schrotflinte. Und er hatte nicht den Hof im Visier, sondern mich. Verdammt.
    Der Einschlag der ersten Kugel schleuderte Sandsteinsplitter aus meinem Kuschelfelsen gegen meine rechte

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