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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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er schaute sich verzweifelt auf der Station um und rief meinen Namen. Völlig verwirrt. Ganz am Anfang, noch bevor die Reporter kamen und mein Kollege Joel, der die Station leitete, mich anrief. Bevor wir wussten, was es war. Meine Mutter lag im Sterben. Es war zu spät, nach New York zurückzufliegen, es war zu spät, und ich beschloss, hier bei Dad zu bleiben. Joel versprach, Tomas einäschern zu lassen und die Urne aufzubewahren. Ich war ihm mehr als dankbar dafür. Es war klar, dass meine Mutter nicht überleben würde. Ich würde in einer oder zwei Wochen nach Hause fliegen, nach Upstate fahren und seine Asche im John’s Brook verstreuen, oben in den Bergen, nicht weit von Keene, wo wir jedes freie Wochenende verbracht hatten. Ich arbeitete für ein städtisches Krankenhaus, deswegen hatte ich am Wochenende frei, du weißt ja, das ist die Ausnahme für eine Internistin. Ich hatte nie Bereitschaftsdienst, es sei denn im Katastrophenfall, was nicht oft vorkam. Wir wohnten in einem weißen Holzhäuschen mit Schindeln und Blick auf den Noonmark, von der Schlafzimmerveranda aus. Das ist ein kleiner Berg in den Adirondacks, der wie eine Bergparodie aussieht, so spitz wie das Matterhorn, aber winzig klein. Der kleine Berg, der … Wir sind oft raufgeklettert, samstags nach dem Ausschlafen. Wir sind fröhlich den steinigen Wanderweg hochgelaufen bis zu einer felsigen Spitze zwischen verkrüppelten Tannen. An den langen Abenden fuhren wir mit unseren Eingangrädern die gepflasterte Straße hoch bis zu einem kleinen Gletschertopf mit Wasserfall, das Wasser war immer eiskalt, und wir zogen uns aus und sprangen rein. Das war unser Ritual, während wir darauf warteten, dass das richtige Leben anfing, und jetzt denke ich, dass genau dieser Schwebezustand das richtige Leben war. Ich weiß auch nicht, warum. Liegt es daran, dass wir so unsicher sind, zu zögerlich, zu zaghaft? Das braucht viel Platz, so viel Raum, um sich zu entfalten. Nichts wirklich zu wissen, diese Hoffnung, die schmerzliche Sehnsucht: Es ist nicht echt, nicht wirklich, also lassen wir es in Ruhe und schauen zu, wie es sich entfaltet. Diese Zeit, die im Nachhinein der Kracher war. So kommt es mir jetzt vor. Wie diese angenehm ermüdenden Fahrradtouren auf einer Landstraße an einem warmen Abend. Zu einer Brücke. Zu einem schmalen, von krummen Wurzeln überwucherten Wanderweg zwischen dicken Ahornbäumen. Den wir barfuß zum Schwimmen raufgeradelt sind. Einmal war ich im Giftefeu gelandet, es war so schlimm, dass ich nach dem Wochenende zwei Tage nicht zur Arbeit gehen konnte. Jetzt kommt es mir so vor, als wäre das die schönste Zeit gewesen, die zwei Menschen jemals miteinander hatten. Jemals, auf der ganzen Welt. Als wir darauf warteten, dass er seinen Abschluss machte, dass ich schwanger wurde, dass die Arbeit am richtigen Leben begann.
    Sie sah mich an. Wir sind Idioten, weißt du.
    Ach verdammt, es ist das Einzige, was ich weiß.
    *
    Tut es weh? Die Erbsen zu schälen?
    Sie schüttelte den Kopf, das Haar rutschte ihr vors Gesicht, sie versteckte sich dahinter.
    Doch, tut es, oder?
    Was ist Schmerz? Manchmal bin ich ein bisschen empfindlich. Es fühlt sich eher so an, als hätte man trockene Haut und eingerissene Fingerspitzen.
    Danach betrachtete ich ihre Hände näher. Wie sie die Schoten vorsichtig zwischen den Fingern rollte, manchmal zwischen Mittel- oder Ringfinger, um den Schmerz gleichmäßig zu verteilen. Sie arbeitete zügig und ohne zu jammern.
    Lass das, sagte sie. Nicht hingucken.
    *
    Einmal erzählte sie mir beiläufig, dass sie nicht älter als fünfzig oder fünfundfünfzig werden würde. Nach allem, was sie über die Organschäden wusste, die das Fieber verursachte. Außerdem gestand sie mir, dass sie aus irgendeinem Grund glücklicher sei als je zuvor. Trotz all der herben Verluste. Sie war glücklich, zu sein , was auch immer. Das war besser als zu warten .
    *
    Ich zählte nicht mehr mit. Die Tage. Vielleicht waren es fünf, vielleicht neun. Die Zeit dehnte sich aus wie ein keuchendes Akkordeon, das ernste Musik spielt.
    Das Wetter wurde warm und trocken. Der Bach Tag für Tag ein bisschen flacher. Die Strömung langsamer, das Brausen leiser, der Fall von dem Fels weniger heftig. Der weiße Wasservorhang vor dem Fels immer schmaler. Der Bach wie eine Laune. Weniger überschäumend. Ich wachte mitten in der Nacht in der Hängematte auf, reckte einen Fuß aus dem Schlafsack in die Kälte und setzte ihn auf den rauen Untergrund, um

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