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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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für Menschenfleisch übrig habt, wie ein entarteter Hai.
    Jetzt lächelte sie wirklich. Sie lachte. Sie legt den Kopf in den Nacken, zeigte mir das riesige Hämatom und lachte mit hoher, heiserer Stimme.
    Aua. Legte sich eine Hand über die gerippte Luftröhre. Tut ein bisschen weh, ist nicht so schlimm. Ein entarteter Hai. Nein. Wow.
    Sie schenkte sich noch ein Glas Milch ein, trank langsam. Nein. Sie trank den letzten Schluck. Nein, wir brauchen dich.
    Oh.
    Auf einmal wurde mir schlecht. Seltsam, aber als Erstes dachte ich an eine Art erzwungenes Zuchtexperiment. Warum mir deswegen schlecht werden sollte, verstand ich nicht, weil sie sehr attraktiv war, ich würde sogar sagen, fast schön. Trotz der Narben und der mageren Glieder. Aber das Bild, das ich vor Augen hatte, zeigte mich, wie ich sie auf einem steinernen Bett wie auf einem Altar bestieg, während ihr Vater daneben stand und mir ein Gewehr an die Schläfe hielt.
    *
    Ich fragte nicht nach. Bei der Offenheit dieser Leute wusste ich, dass ich es ohnehin bald erfahren würde, ob es mir gefiel oder nicht. Wieder fühlte ich mich vollkommen erschöpft. Es fegte über mich hinweg wie eine Art Senfgas. Was war mit mir los? Es war, als holten mich neun Jahre Wachsamkeit plötzlich ein. Ich hatte Lust, meine Arme auf dem rauen Holz der Tischplatte zu verschränken, meinen Kopf draufzulegen und einzuschlafen. Jetzt in diesem Moment.
    Macht es dir was aus, wenn ich ein Nickerchen mache? Ich glaube, ich schaffe es nicht, wach zu bleiben.
    Liegt wohl an der Milch. Sie stand auf und zeigte auf die Bäume weiter unten am Wasser. Da unten hängt eine Art Hängematte. Sei mein Gast.
    Sei mein Gast. Gast. Ob du willst oder nicht. Ich bedankte mich für das Essen und legte mich am Ufer in eine zwischen Bäumen gespannte Decke, zog meine Jacke um mich und schlief ein.
    *
    Ich träumte von einem Haus auf einem Acker, das eigentlich mir gehörte. Ich meine, ich kehrte an einen Ort zurück, den ich gebaut hatte, in Erwartung eines sicheren Hafens, eines Zuhauses, das beherbergen sollte, was ich liebte, und als ich mich über das Feld näherte – es gab keine Straße –, sah ich, dass jemand auf der rechten Seite einen Anbau errichtet hatte. Der Anbau war größer als das eigentliche Haus, und die Winkel und Proportionen erschienen mir fremd, unpassend meinem Empfinden nach – komische Dachgauben viel zu weit oben, vorstehende Balken an den falschen Stellen, und dann sank mir das Herz, und ich begriff mit einem wachsenden Gefühl der Verzweiflung, dass jemand in mein Haus eingezogen war, der mir zutiefst unsympathisch war. Ein Hausbesetzer, der in zähen Verhandlungen, an die ich mich nicht mehr genau erinnern konnte, Rechte für sich rausgeschlagen hatte. Ich könnte hier bleiben, aber nur wenn ich mich einverstanden erklärte: einverstanden mit diesem Ding, das der reinste Albtraum war. Oder ich könnte weitergehen und auf alles verzichten, was ich geliebt hatte, geliebt bis zu diesem schrecklichen Moment, und ich stand auf dem Feld und war unfähig zu entscheiden, ob ich reingehen oder weiterlaufen sollte. Ich wachte schluchzend auf.
    Es war mir nicht in den Kopf gekommen, einzubrechen und mein Haus mit Gewalt zurückzuerobern.
    All die vielen Möglichkeiten, die wir nicht sehen. In jedem Moment.
    Ich lag in der Hängematte, und seltsamerweise war in dieser Traumwelt keine Spur von Schluchzen zu erkennen, kein tränennasser Kragen, nur die Blätter der Pappeln, die hoch über mir im Wind flatterten und sich drehten, und das Wasser, das sich unten vorbeischob. Man konnte von einem Albtraum in den nächsten rutschen, ohne jemals zu essen oder zu pinkeln oder zu verdursten.
    *
    Als ich die Augen aufschlug, arbeitete sie im Garten. Ich konnte sie durch die Baumreihe am Wasser erkennen, wie sie gebückt dastand und Unkraut zupfte. Er trat durch das Weidentor und hatte zwei Knüppel aus Tannenholz auf dem Arm, es musste ziemlich trocken sein, denn es wirkte ganz leicht. Der Wind zupfte weiße Federbüschel aus den Bäumen, an denen die Samen wie an kleinen Fallschirmen runtergesegelt kamen. Sie konnten nicht besonders gut schwimmen. Ich schloss meine Augen und lauschte dem rhythmischen Singsang der Säge, die wie ein röchelndes Tier klang. Dann hörte ich den Knall und das Krachen von Holz. Ein Pappelsamen landete auf meinem Augenlid.
    *
    Nach einer Weile stand ich auf, wusch mir das Gesicht am Bach, ging zu ihr in den Garten, der inzwischen im Schatten der Felswand lag. Ich

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