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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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mich abzustoßen. Sah die Sterne hinter dem Blätternetz hin und her schwimmen. So wie Fische, die an Maschen zupfen.
    Das sind wir, das tun wir: Wir zupfen an den Maschen, drängen dagegen, gegen das Netz, das nicht existiert. Seine Knoten sind so stark wie unser Glaube. Und unsere Ängste.
    Hig, gib es zu: Du hast keine Ahnung, was du hier tust. Hattest du nie. So viele Netze in der Welt, wirkliche und unwirkliche. Du bist mit einem aufgescheuchten Schwarm rumgeschwommen, vor dir immer der Schwanz eines anderen Fisches. Mehr oder weniger so war es. Hast alles angeknabbert, was immer dir in den Weg gekommen ist, bist jeder Strömung blind gefolgt.
    Selbst die große Liebe deines Lebens hat sich angefühlt wie ein glücklicher Zufall, so als könnte sie jeden Moment in der Menge der Flossen verschwinden. Was sie auch tat.
    Was tust du hier?
    Ich weiß es nicht.
    Ich schaukele. Hin und her. Flaute. Abstoßen. Loslassen. Zurückschwingen. Die Sterne, die Blätter, sogar das Geräusch des Baches wie ein Pulsieren. Eines Bootes. Einer Hängematte. Einer Kinderschaukel. Eines Mutterleibes. Hin und her. Schaukel schaukel. Geruch nach kaltem Wasser, nach Stein, nach Weide, Blüten. Schlaf.
    *
    Er erklärte es mir in einfachen Worten. Kam im Morgengrauen mit einer dampfenden Emailletasse an meine Hängematte. Kaffee und Tee war ihnen vor langer Zeit schon ausgegangen, nun brauten sie eine Mischung aus gerösteten Pinienkernen und Meerträubel auf, die bitter und rauchig schmeckte und gar nicht übel war. Er setzte sich auf den abgesägten Baumstumpf, den ich als Nachttisch benutzte. Er nickte knapp, wie um sich die Erlaubnis einzuholen, nahm die Glock, legte sie auf meinen Rucksack und setzte sich. Reichte mir den Becher. Ich setzte mich auf, nahm die Hängematte zwischen die Beine. Schaltete die Rauschunterdrückung in meinem Gehirn ein, um die Bilderflut einzudämmen. Ich hatte wieder von meinem Haus geträumt, diesmal stand es nicht auf einem Acker, sondern in meiner, in unserer alten Straße im Westen der Stadt, nur zwei Blocks vom See entfernt. Es sah aber nicht aus wie unser Haus, es war ein einstöckiger Backsteinbungalow mit Schornsteinen, und ich wusste, das war ein Krematorium, und wieder stand ich verwirrt davor und fragte mich, wo ich schlafen sollte, wo ich Jasper füttern sollte.
    Wahrscheinlich hatte ich seine Schritte trotz des rauschenden Wassers gehört. Ich wurde aus der Verwirrung des Traums in das sanfte Licht einer Wirklichkeit katapultiert, die sich aus Verlusten zusammensetzte, also vom Regen in die Traufe.
    Was weiß der Fisch über das Wasser? Jede Menge.
    Ich gab den Traum auf und nahm den Becher. Anscheinend schlief er nie. Ich meine, er wirkte nie verquollen. Seine Züge wurden härter, wenn er sich ärgerte, aber auch so waren sie immer hart.
    Wenn es in den nächsten Wochen nicht regnet, und das wird es nicht, ist es Zeit zu gehen.
    Ich richtete mich gerade auf.
    Ich habe euch gesagt, dass ich jederzeit gehe. Ihr müsst es mir nur sagen.
    Er schüttelte den Kopf.
    Ihr wart sehr gastfreundlich, sagte ich, und ich meinte es ernst. Ich glaube, ich werde fett.
    Er lächelte nicht.
    Ich spreche nicht von dir, ich spreche von uns. Von uns dreien. Du wirst uns hier rausfliegen.
    Ich blinzelte. Setzte die Tasse auf meinem Schoß ab.
    Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie es da draußen ist? Hast du? Warum solltest du das hier verlassen? Dieses kleine Paradies? Wo du mit dem Rest deiner Familie in Frieden leben kannst.
    Das dachte ich. Ich sagte: Warum?
    Die Dürre.
    Ich betrachtete den blubbernden Bach, die grüne Weide.
    Letzten Sommer ist der Bach fast versiegt. Wir mussten ein Loch ins Flussbett graben, nur um Trinkwasser zu haben. Die Hälfte der Tiere ist verendet. Es wird jedes Jahr schlimmer. Immer wärmer. Genau so, wie sie gesagt haben.
    Er trank einen Schluck.
    Wir wussten, irgendwann müssen wir weg. Wahrscheinlich in diesem Frühling. Wir wussten nicht genau, wohin. Außerdem haben wir Angst davor, ohne Wasser unterwegs zu sein. Wenn es hier schon trocken ist, wie sieht es dann auf der Grand Mesa aus?
    Er knöpfte seine Brusttasche auf und zog die Dose Copenhagen raus. Nahm eine kleine Prise und reichte mir den Tabak.
    Und dann kamst du mit deinem Flugzeug. Und ich hätte dich fast abgeschossen, stell dir das mal vor.
    Ja, der Moment schrie nach Tabak. Ich nahm eine Prise, gab ihm die Dose zurück. Das vertraute Brennen unter der Oberlippe, die leichte Dröhnung.
    Ihr wollt mit mir

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