Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
Vom Netzwerk:
sich das anzusehen. Damit sie weiß, was sie mit ihm machen muss.«
    Wir atmen alle hörbar ein, weichen unmerklich zurück. Dass sie das gerade ausgesprochen hat, wieso tut sie das?
    Andererseits denke ich ja auch an solche Sachen, stelle mir vor, wie Mr. Shaw neben Evie in seinem rotbraunen Auto sitzt, ein Hochglanzmagazin auf ihren Schößen aufgeschlagen. Ich stelle es mir vor wie das Heft, das ich unter der Baseballkartensammlung meines Bruders gefunden habe, in dem die Mädchen alle so verrenkt daliegen wie Puppen, denen man die Beine auseinandergebogen hat, ihre Münder glänzen, sie sind riesig, und dann diese ausdruckslosen Augen.
    »Vielleicht war er es ja auch gar nicht«, sagt Joannie, und wir sehen sie an. »Vielleicht ist es wirklich nur Zufall.«
    »Aber wo soll er denn sein?«, fragt Tara und schnalzt zur Bestätigung mit ihrer Zahnspange. »Mein Dad sagt, es gibt keine Zufälle. Zufälle sind was für gelangweilte Hausfrauen und den Strafverteidiger.«
    In meinem Kopf mahlt etwas, es rattert erbarmungslos.
    Die ekligen Geheimnisse, die man bei den Shaws finden wollte, die gruseligen Gerüchte, nichts davon hört sich plausibel an. Ich glaube das alles nicht.
    Ich wusste, dass sie nichts finden würden. Er ist nicht scharf auf kleine Mädchen, egal welches. Es geht um Evie und um Liebe. Wie er bei ihr im Garten stand …
    Wir waren uns immer so nah: Deshalb weiß ich, dass es nicht so ist, wie alle denken. Die liegen alle falsch. Ich weiß nur noch nicht, wie.
    Das Schluchzen von oben ist laut, verzweifelt, als könnte es Fensterscheiben zum Vibrieren und Säulen zum Einstürzen bringen.
    »Dusty war heute nicht nach Schule zumute«, sagt Mr. Verver, und dass er um halb vier nachmittags Jeans und T-Shirt trägt, sagt mir, dass auch er nicht auf der Arbeit war. Ich bin rübergegangen, um den Pokal vorbeizubringen, den Dusty bei der Abschlussfeier in der Schule gewonnen hat. Sie ist zur besten Hockeyspielerin gewählt worden, ganz schön beeindruckend, vor allem, weil sie erst Junior ist. Ted hat die Skulptur mit nach Hause gebracht, eigentlich sollte er sie Dusty bringen. (»Ich kann da nicht rübergehen«, hat er geflüstert. Aber ich kann.)
    Mr. Verver lächelt die goldene Figur an, eine Hockeyspielerin mit Pferdeschwanz, und dreht den Walnussholzsockel hin und her. Er sieht sich das Gesicht der Figur genauer an, runzelt die Stirn. »Die sieht ja nicht mal halbwegs wild genug aus!« Er starrt ihr in die goldenen Augen.
    Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, er sieht es und muss auch grinsen.
    »Dann wollen wir mal einen würdigen Platz suchen«, sagt er, und einen Moment lang ist er wieder der alte Mr. Verver, der aus allem ein Abenteuer macht, sogar aus unseren Impfungen vor der Einschulung, oder als Mrs. Verver einmal krank war und er mit Evie und mir zu Robertos Salon fuhr, und wie er da in so einem lila Sessel saß und versuchte, die Women’s Day zu lesen, und die ganzen Friseurinnen um ihn rumflatterten und sich aufplusterten, und eine hat ihm umsonst die Haare geschnitten und ihm ein Haaröl einmassiert, das nach Kokos duftete, und wir haben es noch Stunden später gerochen, im Auto und im Hobbyraum beim Tischtennisspielen.
    Ich dachte daran, wie der Kokosduft in dieser Nacht in sein Kopfkissen eingezogen sein musste.
    Einmal, letzten Sommer, hat Mr. Verver, er hat mir mit dem Finger den heruntergerutschten Träger meines Badeanzugs wieder hochgeschoben. Ich weiß noch genau, wie das gekribbelt hat, so etwas hatte ich noch nie gefühlt.
    Wir gehen die Kellertreppe hinunter zum Hobbyraum. Hier wurden immer die Kindergeburtstage gefeiert, und hier hat Mr. Verver eine Zeit lang einmal pro Woche mit ein paar Vätern aus der Nachbarschaft gepokert. Und die Erwachsenen kommen bei Straßenfesten oder der Party zum vierten Juli oft hierher, um mal kurz ihren Kindern zu entkommen und eine zu rauchen. An den Wänden hängen Familienfotos und ein paar deutsche Bierplakate. Da hängt auch ein altes Samtposter mit der Aufschrift »Mott the Hoople«; ich dachte immer, das wäre ein Dr.-Seuss-Buch.
    Der Boden ist hart; als wir noch klein waren, haben Evie und ich hier Steppen geübt.
    Me and My Shadow, Step-Shuffle-Back-Step, Step-Shuffle-Back-Step.
    Hinter der Bar steht ein dick lackiertes offenes Regal mit den ganzen Trophäen, außer Evies, die stehen in ihrem Zimmer, weil sie zu groß für die Fächer sind – plumpe, gepolsterte Skulpturen von Lederfußbällen, Dusty sagt immer, sie sehen aus wie

Weitere Kostenlose Bücher