Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
warte, und in mir zieht sich mein Magen zusammen, ich presse die Hände zwischen die Schenkel.
»Er saß auf dem Bett«, sagt sie, »und ich auf einem Stuhl, und er hat mir sein ganzes Leben erzählt, und dass das jetzt vorbei wäre, und dass es ihm egal wäre.«
Mein Herz klopft, mein Herz klopft.
»Es war schon ziemlich spät, als ich es ihm gesagt habe«, sagt sie. »Ich habe ihm versprochen, dass es okay ist. Weil es okay war.«
Sie kann es nicht aussprechen, aber mir ist schon klar, was sie meint. Er liebt sie, er liebt sie, und das ist das größte Gefühl ihres Lebens, und sie fühlt sich wie etwas ganz Besonderes, und das ist sie auch. Ist doch klar.
Sie stützt sich auf die Ellbogen.
»Ich hab ihm gesagt, dass er darf«, sagt sie. »Und dann hat er.«
Ich habe das Gefühl, sie überspringt ein paar Dinge, mir geht das alles zu schnell.
Nicht so schnell. Nicht so schnell.
Ich kneife die Augen zu, ganz fest zu.
»Aber, Lizzie, dann war es doch nicht okay«, sagt sie, und ihre Stimme klingt auf einmal randvoll, voller Schmerz. »Es war nicht okay, aber da war es schon zu spät.«
Ich öffne die Augen und sehe ihr Gesicht, mondlichtverschmiert.
»Er hätte es merken müssen«, sagt sie, ihre Lippen verziehen sich, man kann die Zähne sehen. »Er hat es gemerkt. Aber er konnte nicht mehr aufhören.«
Meine Lider flattern unwillkürlich.
»Es hat gebrannt wie von einer Zigarette. So.« Sie bohrt eine unsichtbare Zigarette in die weiche Innenseite ihres Unterarms.
»Und es hat ewig gedauert. Ich habe mich gewunden, und dann hat es nicht mehr gebrannt, sondern ist gerissen, er hätte aufhören sollen, aber er konnte nicht.«
Ich merke, dass ich nicke, meine Zähne knirschen.
»Und hinterher«, sagt sie, »im Bad, da kamen so kleine Stückchen blutiger Schleim aus mir raus, der hat an meinen Beinen geklebt. Bei jeder Bewegung kam noch mehr.«
Ich schlage die Hand vor den Mund – warum tut sie das? Auf einmal fühlt es sich an, als würde sie mir etwas antun. Etwas Schreckliches. Und das tut sie ja auch, oder?
»Er hat die ganze Zeit an die Badezimmertür geklopft«, sagt sie unbarmherzig. »Es hat ihm so leidgetan. Es hat ihm so leidgetan. Woher hätte er das wissen sollen? Das hat er gesagt.
Dann hat er geweint, und ich habe ihm versprochen, dass es okay ist. Jedes Mal habe ich ihm das versprochen.«
Jedes Mal … Jedes Mal.
»Nachdem er es einmal getan hatte, konnte er nicht mehr aufhören«, sagt sie. »Die ganzen Tage …« Sie verstummt.
Ich kann nicht mehr zuhören. Ich kann nicht mehr.
»Lizzie«, flüstert sie mir ins Ohr, ihre Stimme ist wie Nadelstiche, »er hat mich in diesen neunzehn Tagen so sehr geliebt, dass ich dachte, ich sterbe.«
Ich halte mir die Ohren zu, ich halte sie mir mit den Händen zu.
»Einmal, ganz spät in der Nacht«, sagt sie, ihre Hand auf meiner, heiß und erbarmungslos, »hat er danach geweint. Er hat so lange geweint. Er ist rausgegangen und wollte Eis holen, und als er wiederkam, hatte er die Pistole aus dem Handschuhfach dabei. Er hat sie sich unters Kinn gehalten, stand da am Fuß des Bettes, und meinte, ich bräuchte es nur zu sagen, dann würde er es tun.«
Die Hände auf den Ohren, wiege ich mich vor und zurück und versuche, Mr. Shaw nicht vor mir zu sehen, aber ich sehe ihn.
»Ich habe ihm gesagt, er soll die Waffe weglegen. Kannst du dir das vorstellen? Es kam mir überhaupt nicht komisch vor. Nach allem, was passiert war. So anders ist jetzt alles.
Er kroch ins Bett und weinte wie ein Kind. Er sagte, er kann es nicht, jetzt nicht mehr, wegen allem, was ich ihm gezeigt habe.
Er hat gesagt, ich hätte ihm beigebracht zu lieben.«
Das sind die Worte, auf die ich gewartet habe, aber nichts davon fühlt sich richtig an, nichts davon. Ich will, dass es aufhört.
»Er hat gesagt, er weiß, dass sie uns finden«, sagt sie. »Und ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht bereue, obwohl das nicht stimmte.«
Sie sieht mich an. Sie will sichergehen, dass ich es genau spüre. Und das tue ich.
»Aber vielleicht würde ich es auch gar nicht anders wollen«, sagt sie nachdenklich. »Er hat mich gerettet, also habe ich ihm dieses Geschenk gemacht. Vielleicht hätte er es nicht annehmen dürfen, aber ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich es ihm gegeben habe.«
Er hat mich gerettet.
Sie greift nach meinen Haaren und zieht mich an sich.
»Und als er mich hier abgesetzt hat, da hat er etwas gesagt.«
Ich habe die Hände über meinen Ohren zu Fäusten
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