Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
erklären soll. Es war so. Mir war klar, was mit ihm los war, und dass er nicht dagegen ankam.«
Sie dreht sich auf die Seite und sieht mich an, sie beugt sich zu mir und spricht mir direkt ins Ohr, ihr Mund berührt fast mein Gesicht.
»Er hat gesagt, es wäre wie ein Stich ins Herz. Eines Tages ist es einfach passiert. Er hat mich gesehen, und es ist passiert, und danach gab es nichts anderes mehr. Ein Loch in seiner Brust, als könnte man einen Finger reinstecken. Was soll man denn dagegen tun?«
Wie im Film, wie im Film, wo die Musik aufbrandet, die Lippen des Mannes am erwartungsvollen Ohr der Frau, mich durchläuft ein Schauer, ein Beben. Meine Schenkel fühlen sich schwach und heiß an. Oh Mann, es ist wie eine Krankheit. Eine Krankheit. Ich ergebe mich ihr. Sie erzählt es mir, endlich erzählt sie es mir. Als ob man im Märchen den Zeh in einen verzauberten See taucht.
Die Schönheit darin, darauf warte ich.
Sie erzählt mir, wie sie ihn die ganze Zeit gesehen hat, im Garten, auf der Straße, vor der Schule. Er hat sie immer beobachtet und nie ein Wort gesagt. Es war ihr besonderes Geheimnis, und sie musste sich eingestehen, dass sie es anziehend fand. Es hatte etwas, wie er immer da war, sie immer beobachtete, es hat sie einfach berührt. Und wie.
Sie erzählt mir, dass sie wusste, dass es früher oder später passieren würde. Sie hatte es schon seit einer Weile gewusst.
An dem Tag, als wir zusammen waren und unsere Hockeyschläger aneinanderschlugen, sah sie sein Auto vorbeifahren, zweimal. Sie konnte sich an keinen Tag im letzten Jahr erinnern, an dem sie sein Auto nicht gesehen hatte. Aber heute würde es anders sein. Das wusste sie. Sie wusste, dass sie irgendwie bei ihm im Auto landen würde.
Und als sie fortfuhren, dachte sie: Das ist es also. Das ist es. Es hat angefangen, und jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Unterwegs erzählte er ihr, wie es gewesen war. Dass er sie liebte, aber dass ihn diese Liebe bedrückte, dass er sich dafür schämte. Es hatte im letzten Sommer so richtig angefangen, aber eigentlich schon lange davor. Er hatte sie im Schwimmbad tauchen sehen. Da fiel ihm alles wieder ein. Wie er vor fast zehn Jahren gesehen hatte, wie sie im Green Hollow Lake ins Wasser fiel. Der wichtigste Moment seines Lebens.
»Er hat mich rausgezogen«, erzählt sie mir nun. »Niemand hat gesehen, dass ich reingefallen war, nur er, und er hat mich gerettet.«
Ich schlage die Hand vor den Mund, tippe mir an die Lippen. Ich erinnere mich an etwas, etwas, was lange her ist, aber es fällt mir nicht ein.
Er hat ihr erzählt, wie ihm das letzten Sommer im Schwimmbad wieder eingefallen ist, als er sie dort sah, nach all den Jahren.
Er sagte, es hätte ihn wie ein Hammer ins Herz getroffen.
Diese Worte schwirren mir im Kopf herum, alle möglichen Gefühle durchzucken mich. Was bedeutet es, so etwas gesagt zu kriegen? Verändert es das Leben? Natürlich tut es das.
Sie fuhren stundenlang herum, sagt sie, aber sie kamen nirgendwo an. Manchmal kamen sie an derselben Stelle wieder vorbei. Als könnte er sich nicht entscheiden. Sie sah immer wieder dasselbe Motel. Ein großes Schild, ein Kartenspiel, und in jeder Ecke ein sich drehendes Karo.
Es war, als müsse er immer weiterfahren. Aber irgendwann hielt er doch an. Sie saßen eine Stunde lang im Auto auf dem Motelparkplatz, bevor er hineinging und eincheckte.
Er sagte, er hätte viele, viele Male daran gedacht, allem ein Ende zu machen.
Und er griff über sie hinweg, bemühte sich, sie nicht zu berühren, und öffnete das Handschuhfach.
Er holte sie nicht heraus. Er zeigte nur darauf. Die Pistole, ganz klein, fast wie eine Spielzeugpistole.
Die Scham wog so schwer, sagte er. Wie oft hatte er gedacht, es könne so nicht weitergehen. Aber er war zu feige. Und er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie nie wieder zu sehen, sie nie wieder in ihren Sommershorts zu sehen, wie sie mit den Beinen baumelte. Nie wieder zu sehen, wie sie vom Sprungbrett ins Wasser tauchte, mit konzentriertem Blick. Sie nie wieder vor dem Haus Räder schlagen zu sehen.
Er schloss das Handschuhfach und sah sie an, zum ersten Mal so richtig. Irgendetwas muss sie ihm vermittelt haben, ihr Gesicht muss ihm etwas gezeigt haben, denn in diesem Moment stieg er aus dem Auto und lief, die Hände in den Taschen, zur Rezeption.
»Das Zimmer war winzig«, erzählt sie, »und über dem Bett hing ein Bild von einem Leoparden. Er war so nervös. Ich überhaupt nicht.«
Ich warte. Ich
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