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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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bester Witz. Der Witz, über den wir lachen, wenn wir betrunken sind. Damals in Vegas, wo wir die beiden Penner erschossen haben.«
    Der Blonde sah den Mann im schwarzen Hemd an.
    »Lass sie los«, sagte er.
    Der blonde Mann trat an den Zaun und betätigte einen unsichtbaren Hebel, und das Tor sprang auf. Der Mann im schwarzen Hemd ließ Constance los und schubste sie in meine Richtung. Zügig schritt sie durchs Tor und aufs Auto zu. Als wir den Jaguar erreicht hatten, bemerkte ich, dass ihre Hände zitterten und ihre Stirn feucht war, und ich begriff, dass sie Todesängste ausgestanden hatte.
    Ich wusste damals schon, ich würde für Constance töten. Ich hätte die ganze Welt in Brand gesteckt, wenn das ihr Wunsch gewesen wäre.
    Ich zog eine Augenbraue hoch, und sie nickte schnell. Ich hob die Hand und zielte und schoss dem Mann im schwarzen Hemd in den Arm. Er schrie und ging auf die Knie. Aus seinem Bizeps quoll Blut.
    Er schrie immer weiter. Er würde wieder auf die Beine kommen.
    Ich zielte auf den Blonden.
    »Nein«, sagte Constance sanft, »den brauchen wir noch.«
    Sie stieg in den Jaguar und zog die Tür zu. Ich kletterte auf den Fahrersitz, ohne den Revolver herunterzunehmen, und als ich saß, gab ich ihn an Constance weiter. Sie zielte durch die Seitenscheibe auf den Blonden, während ich den Rückwärtsgang einlegte.
    Wir rollten auf die Straße, und dann fuhr ich los, schnell, aber nicht schneller als erlaubt, auf den nächstbesten Freeway. Als wir in der Wüste auf der I- 15 waren, hielt ich auf dem Seitenstreifen und übergab mich unter der sengenden Sonne. Ich musste an das Blut denken, das aus dem Arm des Mannes gespritzt war.
Ich
hatte das getan. Ich übergab mich noch einmal und wusste, ich würde mir nie vergeben. Nichts würde ich mir je vergeben. Dennoch hätte ich ihn ohne zu zögern erschossen, wenn Constance mich darum gebeten hätte. Ich stieg wieder ins Auto und brachte uns nach Los Angeles zurück.
    Am nächsten Tag stellte Constance mich als Assistentin ein und bat mich, ihr nach New Orleans zu folgen. Ich willigte ein. Der erste Mensch, den ich in New Orleans kennenlernte, war Mick Pendell, ein weiterer Assistent von Constance und bereits ein Detektiv mit schlechtem Ruf. Wir saßen im selben Boot, zwei Geschwister, die in derselben, seltsamen Familie gelandet waren.
    Drei Jahre später wurde Constance ermordet.
    Diejenigen, die Constance zusammengebracht hatte, konnten nie ganz voneinander lassen. Sobald wir versuchten, uns abzunabeln, erinnerten wir uns an unser Versprechen, an die Schuld, die unmöglich abzutragen war.
    Später erfuhr ich, dass es sich bei dem blonden Mann um Jay Gleason gehandelt hatte, Silettes letzten Schüler, der mit dem ungekämmten Haar und der Schlaghose. Sein Gesicht war immer noch hübsch.
    Diejenigen von uns, die Silette zusammengebracht hatte, lebten in unendlich komplizierten Verbindungen weiter, während das Kali Yuga sich voranwälzte.

[home]
    7
    N achdem ich mich auf der Polizeiwache von Lydia verabschiedet hatte, hörte ich tagelang nichts von ihr. Dafür meldete sich Emily, Pauls Schwester. Sie hatte angerufen und eine Nachricht auf Band gesprochen, während Lydia aussagte und ich mit Carolyn sprach. Ich rief nicht zurück. Am nächsten Tag rief sie wieder an. Sie sei in der Stadt und wolle mit mir reden.
    Jeder hält seine Trauer für die größte, erste auf Erden. Jeder denkt, seine Trauer sei vorrangig und die der anderen nachrangig. Aber ich hatte keine Lust, die tröstende Freundin zu spielen. Ich war nicht bereit, die dumme, selbstlose, aufopferungsvolle Person darzubieten, die die Beerdigung organisiert. Mir war nicht danach, das Mädchen zu sein, deren Text lautete:
Aber ja, ihr standet euch so viel näher
und
Natürlich wiegt dein Verlust unendlich schwerer.
Sollte sie sich eine andere suchen.
    Aber als ich fünf Tage nach Pauls Tod mein Apartment verlassen wollte, stand eine Frau vor meiner Tür. Sie hatte gewartet. Sie war blass und groß und dünn und sah aus, als wäre sie nicht von hier. Sie trug braune Stiefeletten, Jeans und einen grauen Sweater.
    »Claire?«, fragte sie. »Claire DeWitt?«
    Ich antwortete nicht. Ihr Gesicht war hübsch, oder es wäre hübsch gewesen, wenn es nicht so verhärmt ausgesehen hätte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und die Kleidung hing lose an ihrem Körper. Offenbar hatte sie in letzter Zeit abgenommen.
    »Ich bin Pauls Schwester«, sagte sie. »Paul Casablanca’s. Ich bin Emily.«
    »Es tut

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