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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Streit«, sagte Ben. »Nun ja. Eines Tages kam ich nach Hause, und sie hing da mit einem Haufen von ihren Schlampenfreundinnen rum. Die haben sich zugedröhnt, in meiner Wohnung. Haben das Tütchen mit dem Zeug rumgehen lassen, als wäre nichts dabei. Um dann weggetreten auf dem Boden zu liegen. In
meinem
Wohnzimmer. Und ich … ihr könnt es nicht wissen, aber meine Mutter ist ein Junkie. Deswegen gibt es bei mir zu Hause eine Regel: keine Drogen. Es ist, wie ich sagte, ich habe alles probiert, und ich will sie nicht verurteilen. Aber ich bin mit dem Dreck aufgewachsen, und jetzt will ich nichts mehr damit zu tun haben.«
    Wir nickten. Das konnten wir verstehen.
    »Ich habe ihre Freundinnen rausgeschmissen«, fuhr Ben fort. »Und sie war, na ja, ziemlich high. Ich hätte ihr erlauben sollen, ihren Rausch auszuschlafen oder so. Aber ich bin ausgeflippt. Ich habe die Nerven verloren und sie angeschrien.
Ich liebe dich. Was für eine Scheiße machst du da. Was ist aus dir geworden.
Und sie hat bloß gelacht. Sie hat auf dem Boden gesessen und die Augen verdreht, so richtig in den Kopf rein. Und sie hat gelacht.«
    Ben schüttelte den Kopf. Da war noch etwas, etwas, das er uns verschwieg. Ich sah es an seiner gerunzelten Stirn, im trüben Weiß seiner Augen.
    »Sie hat etwas gesagt«, sagte ich. »Zu dir.«
    »Ja«, sagte er sanft, »das hat sie. Sie hat gesagt … sie hat gesagt, sie wüsste sowieso, dass ich sie nicht richtig liebe. Und da bin ich dann wirklich ausgerastet. Ich habe ein Glas nach ihr geworfen – nicht nach ihr, eher an die Wand. Denn wie konnte sie so was glauben. Ich meine, ich habe doch wirklich alles getan.« Wieder runzelte er die Stirn. »Alles, was mir einfiel. Ich meine, was weiß ich schon über die Liebe, verdammt.«
    Wir saßen an der Bar und sahen einander nicht mehr in die Augen. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass sein Tattoo noch geschwollen war, fast neu.
Love Kills.
    »Es gibt da dieses Buch«, sagte Tracy und starrte in ihr Schnapsglas. »Dieser Typ, der meint: ›Der Erzähler ist nicht verantwortlich dafür, den Zuhörer von der Wahrheit des Gesagten zu überzeugen. Ein jeder Zuhörer muss sich die Worte selbst aneignen. Keiner kann das für einen anderen tun.‹ Das sagt er in dem Buch. Dieses Buch, das wir mögen.«
    Das Buch, das wir mögen. So wie: diese Luft, die wir atmen, diese Sonne, die auf uns scheint.
    Ben runzelte die Stirn und sah Tracy an.
    »Meinst du wirklich?«, fragte er.
    »Absolut«, sagte Tracy.
    Ben und Tracy sahen einander an, und etwas passierte zwischen ihnen – ein geheimer Handschlag, ein Code. Der Moment war so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war. Ben schenkte jedem von uns einen Tequila ein und klopfte kurz auf die Bar, um uns im uralten Barkeeper-Code zu signalisieren, dass die Drinks aufs Haus gingen. Wir bedankten uns und kippten die Shots, und er schenkte uns allen nach.
    »Und da«, sagte ich, um uns zum Thema zurückzubringen, »hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Ja«, sagte er. »Ich bin aus dem Haus gegangen und praktisch die ganze Nacht weggeblieben. Als ich zurückkam, war sie weg. Am darauffolgenden Tag habe ich die Schlösser ausgetauscht. Ein paar Wochen später habe ich mir eine neue Telefonnummer geben lassen. Ich wollte sie nie wiedersehen.«
    »Und die Schlampen und Luder«, sagte ich, »waren hier, um sie zu suchen?«
    »Ein paarmal«, sagte er. »Nicht, dass sie sich Sorgen machten. Sie meinten bloß, sie hätten lange nichts von ihr gehört.«
    Wir schwiegen. Ein Gast betrat die Bar. Ben versorgte ihn mit einem Drink und kam dann zurück.
    »Erzähl mir mehr«, sagte Tracy. »Erzähl mir was über Chloe.«
    Ben holte tief Luft.
    »Ich habe sie geliebt«, sagte er. »Und ich will sie verdammt noch mal nicht wiedersehen, solange ich lebe.«
    Weitere Gäste kamen herein. Ben kippte seinen zweiten Tequila und verabschiedete sich dann, um zu arbeiten.
    »Weißt du, wo wir sie finden können?«, fragte ich Tracy. »Cathy und Georgia und die anderen?«
    »Vielleicht«, sagte Tracy. »Hast du ein paar Münzen?«
    Ich fischte Kleingeld aus meiner Tasche, und Tracy ging zum Telefon am hinteren Ende der Bar. Zwanzig Minuten später kam sie mit Informationen zurück.
    »Ich kenne da einen Typen, Chris Garcia, der ein paarmal mit Cathy geschlafen hat. Er sagt, sie wäre oft in der Cherry Tavern.«
    »Und wo Cathy ist«, sagte ich, »ist Georgia nicht weit.«
    Ich kannte Georgia. Ich hasste Georgia. Wenn ich an ihr hübsches

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